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Wembley Or Bust

Es ist hochsympathisch, daß Jeff Lynne und sein Electric Light Orchestra auf „Wembley Or Bust“ zu keiner Sekunde versuchen, sich und ihre Zielgruppe als jugendlich-hip und relevant zu verkaufen. Wo bei den letzten Livemitschnitten von The Who und den Rolling Stones im Publikum immer die hübschen blonden Damen und coolen Hipster Anfang Zwanzig herausgesucht wurden und in Szene gesetzt wurden, zeigt „Wembley Or Bust“ fast durchweg die tatsächliche Zielgruppe: tanzende Menschen Ü50, die schon Bauch angesetzt haben und die Hits ihrer wilden Jugend abfeiern. Das wirkt wirklich außerordentlich sympathisch und gibt „Wembley Or Bust“ insgesamt einfach schon einmal ein paar Bonuspunkte.

Nun, leider muss man in andere Hinsicht einige Abstriche machen. Daß Jeff Lynne den Sound einmal mehr nur in Stereo anbietet (er hasst 5.1-Mixes), ist eine kreative Entscheidung, die man nicht mögen, aber akzeptieren muss. Auch die Tatsache, daß er sich oft und gerne von seinen Backgroundsängern aushelfen läßt, ist nicht weniger wild, schon der junge Lynne hat live öfter speziell dem damaligen Basser Kelly Groucutt den Leadgesang überlassen. Schade auch, daß Bev Bevan, außer Lynne das einzige echte ELO-Mitglied, aus Krankheitsgründen hier fehlt. Uuuund ein wenig störend auch, daß zwischen den Songs auf der DVD immer wieder Interviewfetzen und Backstagevideos eingeblendet werden, die ein echtes Konzertfeeling kaputt machen. Daß auf den beiden beigefügten CDs nach jedem Song das Publikum ausgeblendet wird, ist auch ein wenig unfein. Alles eigentlich Kleinigkeiten, die aber zusammen eben dazu führen, daß „Wembley Or Bust“ nicht das ultimative ELO-Livealbum geworden ist, daß man eigentlich erhofft hatte.

Dennoch, natürlich knallen uns Lynne und Co hier die Hits am laufenden Band um die Ohren – ‚Livin‘ Thing‘, ‚Last Train To London‘, ‚Don’t Bring Me Down‘, ‚Mr. Blue Sky‘, Rockaria‘, ‚Xanadu‘ (auch ohne Olivia Newton-John launig), dazu ‚When I Was A Boy‘ vom letzten Album und ‚Handle With Care‘ von den Traveling Wilburys, und mit ‚10538 Overture‘, ‚Showdown‘, ‚Ma-Ma-Ma-Belle‘ und ‚Roll Over Beethoven‘ geht’s sogar ein paar Mal zurück zu den Anfängen des ELO – und mit ‚Do Ya‘ sogar bis zur Vorgängerband The Move. „Wembley Or Bust“ bietet nämlich prinzipiell schon eine Vollbedienung, auch wenn noch ein paar Hits fehlen, allen voran ‚Calling America‘ und ‚Rock And Roll Is King‘. Es ist eben unmöglich, in zwei Stunden alle Hitsingles des ELO unterzubringen. Auch die Show ist höchst sehenswert, das Raumschiff hebt wieder ab, und die Bühnenkonstruktion hat sich Lynne von der 2007er Reuniontour von Genesis geborgt. Umso mehr ist es schade, daß die ganzen Kleinigkeiten in Kombination eben verhindern, daß „Wembley Or Bust“ das Referenzwerk wurde, das es hätte sein können. Als Fan der Band kommt man natürlich dennoch nicht drumherum, das Ding einzutüten. Wer weiß, wann man ein solches Spetakel zum nächsten Mal geboten bekommt.

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