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Walk The Earth

Huch, schon wieder ein neues Black Country Communion-Album? Da war doch erst vor ein paar Wochen was? Aber der Gesang verrät’s denn doch, es handelt sich nicht um die letzte überlebende Allstar-Truppe, sondern um ein neues Studiowerk der einstigen Chartstürmer Europe. Wäre allerdings Joey Tempests unverkennbare Stimme nicht, wäre der Wiedererkennungswert – wie so oft seit der Reunion im Jahre 2004 – deutlich geringer ausgefallen. Originell oder nicht, der eröffnende Titelsong ist mit seinem ‚Kashmir‘-Riff und den Mellotron-Streichern aber ein echter, wenn auch eher schleichender Ohrwurm und, soviel sei vorab gesagt, auch schon eines der Highlights des Albums.

Klar, auch 2017 frönen Europe eher dem tendenziell schwerfällig-düsteren Sound, den die Band seit ihrer Reformation etabliert hat. Dieses Mal stehen klar die Led Zeppelin-Einflüsse im Vordergrund – das klingt mit der recht modernen Produktion dann eben nicht selten ans Glenn Hughes-/Joe Bonamassa-Monsterprojekt. Erfreulichwerweise darf sich soundtechnisch diesmal Keyboarder Mic Michaeli kräftig austoben – weit mehr als auf den letzten paar Alben. Viel Hammond, am Liebsten durch den Verzerrer und über schwirrende Leslie-Speaker gejagt, viel Mellotron, wenig Synthies – das gefällt natürlich. Woran sich allerdings nur schwer gewöhnen lässt, ist eben, daß die Band in ihrem Bestreben, BLOSS NICHT an Vidal Sassoon-Produkte und Achtziger-Platinplatten zu erinnern, bisweilen eben über das Ziel hinausschießt und manch ein Song dank wenig packender Melodielinien maximal als Füller durchgeht. Daß Europe nach wie vor in der Lage sind, Erstklassiges abzuliefern, beweisen die melodieorientierteren Songs wie das mit Blackmore-Tribute-Solo ausgestattete ‚The Siege‘, der abwechslungsreich arrangierte hymnische Hardrocker ‚Election Day‘ oder die tatsächlich ein wenig im Fahrwasser der alten Europe („Wings Of Tomorrow“-Ära) schwimmenden Up-Tempo-Rocker ‚GTO‘ und ‚Whenever You’re Ready‘. Auch der epische, stark an die Steve Morse-Ära von Deep Purple erinnernde Rausschmeisser ‚Turn To Dust‘ weiß absolut zu begeistern und dürfte ein zukünftiges Live-Highlight werden. Eher überholt wirkt hingegen der Effekt, den Song einfach im Finale abrupt abbrechen zu lassen und als „Hidden Track“ (gähn) ein paar Sekunden Muzak folgen zu lassen (Doppel-Gähn).

Gegenüber dieser Highlights stehen aber leider Songs wie ‚Wolves‘ oder ‚Haze‘, die schlicht und einfach ziemlich langweilig ausgefallen. Zwischen den Extremen tummelt sich Standard-Classic Rock-Ware wie der für Europe obligatorische „Song mit Thin Lizzy-Groove“, der diesmal ‚Kingdom United‘ heißt, einen pompösen Schlußteil hat – und der mit unter drei Minuten Spielzeit klingt, als hätte man vergessen, einen Refrain zu komponieren. Auch die UFO-mäßige Streicherballade ‚Pictures‘ (erinnert schwer an ‚Try Me‘) ist beileibe nicht schlecht ausgefallen, wird dem Hörer aber, so man kein ausgewiesener Fan der Band ist, eben auch nicht unbedingt die Butter vom Brot ziehen.

Das gleiche Spiel also wie bei fast allen anderen in diesem Jahrtausend veröffentlichten Europe-Alben – das wirklich tolle „Last Look At Eden“ ausdrücklich ausgenommen: zur Hälfte besteht ‚Walk The Earth‘ aus erstklassigen Songs, die beweisen, daß die Band auch nach wie vor zu den Größten in Sachen melodischer Hardrock gehören könnte, würde sie sich nur auf ihre Stärken konzentrieren. Allerdings gibt es auf volle Distanz einfach zu viele ’nur okay‘-Songs, die ihrerseits klarmachen, warum das mit dem Comeback im großen Stil seit mittlerweile dreizehn Jahren nicht klappen will. So bleibt auch „Walk The Earth“ ein „nur“ gutes Album, das aber mit Sicherheit keine neuen Fans gewinnen wird.

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