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Undertow

Wirft man einen ersten Blick auf das Albumcover von ‚Undertow‘, könnte man schnell zu der Annahme gelangen, dass Rory und Eoin Loveless genau dort anknüpfen, wo sie vor anderthalb Jahren begonnen haben. Ein düsterer Wald, ein abgewracktes Auto, die Türen stehen offen und eine Person liegt am Boden. Genug Bilder, um Zündstoff für derbe Worte und scheppernde, aggressionsgeladene Musik zu finden. Passend auch zur grauen Trostlosigkeit des englischen Vorstadtfriedhofs und des Autoparks auf dem selbstbetitelten Debüt. War ‚Drenge‘ schwarz und weiß, ein Manifest schnodderiger Stoner-Rock-Sprösslinge, die drumlastige Songs und Gitarrengeschrammel wieder salonfähig machten, so ist ‚Undertow‘ gekennzeichnet von Schatten, Nuancen und tiefen, dunklen Farbtönen. Drenge haben genug von Aggression, Brutalität und Lausebengel-Image. Wenigstens meistens.

‚Undertow‘ hält echte Kompositionsleckerbissen bereit, die sich gerne mal unerwarteten Genres bedienen und vom post-punkigen Pöbeln ein wenig abgrenzen. Die Vorab-Single ‚We Can Do What We Want‘ klingt zunächst wie die gereiftere Fortsetzung von Songs wie ‚Bloodsports‘ oder ‚Gun Crazy‘, der Rest des Albums enttarnt sich dagegen als Riesenschritt der Weiterentwicklung. Gehaltvolle Lyrics und musikalisches Aufmotzen sei Dank. Kumpel Rob Graham, der mit seiner eigenen Band Wet Nuns schon oft mit Drenge zusammen tourte, unterstützt mal am Bass, mal an zweiter Gitarre die Loveless-Sprösslinge beim Lösen vom kompromisslosen Draufhauen. Ein deftigeres Klanggerüst und melodiöserer Gesang weichen Eoins Power-Akkorden und heiserem Geschmetter. Das offensive ‚Running Wild‘ oder die beklemmende Einsamkeitsode ‚Have You Forgotten My Name‘ erinnern dabei musikalisch stark an die ‚Night Time‘-Platte von Killing Joke. So kommt es aber auch, dass der grungige Grundkanon der blassen Anfang zwanziger auf ‚Undertow‘ mit verkappten Popsongs aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Vor allem ‚The Woods‘ entpuppt sich mit seinem eingängigen Refrain und leicht verdaulichen Gitarren als untypisch zahm.

Die Themen fest verankert im tristen Kleinstadt-Od heimatlicher Regionen packen sie diesmal die Emotionen am Schopfe, statt vierzig Minuten zu provozieren und zu wettern. Hier geht es um Neid, Vertrauensfragen, verkorkste Beziehungen und Einsamkeit. Dabei ziehen uns die Jungs tiefer in den Wald hinein, der mit seiner unheimlichen und düsteren Atmosphäre als unheilvoller Bote für Liebesbeziehungen fungiert.

‚It was like a dream / you drove me to the woods / watched me fall asleep / like you said you would / on a weary night / you wanted side by side / you go left and I go right.‘

(‚Side by Side‘) Drenge werden aber nicht nur stehen gelassen, sondern teilen selbst noch aus – Frustration und Wut freien Lauf lassend. Es spritzt weniger Blut, dafür kochen dunkle Bässe und schnarrende Gitarren wie auf ‚Never Awake‘ genau den richtigen Sud für angepisste Laune:

‚It’s just so hard to get through / it’s just so hard to talk to you / because you’re never awake.‘

Es stecken eine Menge Ideen in ‚Undertow‘, die den tückischen zweiten Streich attraktiver als das Debüt gemacht haben. Eines wird dann doch schnell klar: Drenge sind eben erwachsen geworden.

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