Irgendwann in den 30er, 40er oder 50er Jahren gabe es in Boston einen Typen, der American Football spielte oder Wrestler war. Genauer ist das, wohl wegen ausufernder Legendenbildung, nicht mehr zu haben. Ziemlich sicher ist aber, dass er einen Spezialmove hatte: Den "Dropkick". Später gründete "Dropkick Murphy", wie er genannt wurde, eine primitive Klinik zur Entgiftung von Betrunkenen und Alkoholikern. Es ging dort allerdings nicht unbedingt schulmedizinisch zu, so dass es zum Beispiel zu Todesfällen im Zuge von Behandlungen mit Beruhigungsmitteln für Pferde kam. Prost. Ob wahr oder erfunden, Großvätern und Müttern kam die Geschichte sicherlich ganz recht, um damit die Kids zu warnen: "Don´t start drinking, or you´ll end up in Dropkick Murphys, too!
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Nach oben beschriebenem schrägen Typen ist nun also die 1996 gegründete Punkband benannt, die sich durch irische Elemente in ihrer Musik von der breiten Masse abhebt. Ob Tin Whistle, Dudelsack oder traditionelle Percussion, bei gut der Hälfte der Dropkick Murphys-Songs schwingt keltische Melancholie, irische Ausgelassenheit und Stolz auf die urväterlichen Wurzeln mit. Ohne hier zu viel über das wirklich gelungene vierte Album der siebenköpfigen Biervernichtungsmaschine aus Süd-Boston veraten zu wollen, das am 9. Juni unter dem Namen "Blackout" in unseren Regalen stehen soll, kann ich doch sagen, dass es sich um wunderbares Material handelt, dass sicherlich eine neue Qualitätsstufe erreicht und sich live trotzdem nahtlos zwischen die älteren Songs einfügt.
Und dabei war mein erster Eindruck der Band nicht besonders. Es muß relativ kurz nach ihrer Gründung gewesen sein. Immerhin hatte die Band die große Chance, als Vorband von The Mighty Mighty Bosstones durch Europa zu touren. Sie spielten damals glaube ich noch zu viert und versuchten trotz der saunaartigen Temperaturen das Hamburger Logo noch weiter aufzuheizen. Das ganze wirkte allerdings recht primitiv und ungehobelt und hat mich zumindest damals kaum angesprochen.
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Die zweite Chance, die ich der Truppe nun im SO36 einräumen wollte, wußte sie auf jeden Fall zu nutzen. Gleich zu beginn der Show war klar: heute werden keine Gefangenen gemacht. Die Jungs geben von der ersten bis zur letzten Minute alles. Vor allem Frontmann Al Barr aber auch Bassist und Sänger Ken Casey und die mitgröhlenden Kollegen an den Gitarren James Lynch und Marc Orrell versprühen eine ungeheure Energie. Schnell kann man sich vorstellen, warum die St.Patrick´s-Day-Shows der Band mit jedem Jahr größer und beliebter werden. James: "St.Patrick´s Day in Boston ist einfach unglaublich. Dieses Jahr haben wir vier ausverkaufte Shows gespielt. Die Leute kommen von überall her, um unser Konzert zu besuchen. Sogar aus Japan und Europa kommen sie eingeflogen."
Das druckvolle, entschlossene und kompromißlose Auftreten der Band gepaart mit einer musikalischen Weiterentwicklung machen die Band besonders. Durch die zusätzlichen Musiker umfaßt ihr Repertoire nun Irish Traditionals wie das Cover "Fields Of Atheny", die Al meist mit Reibeisenstimme intoniert, bis hin zu wirklichen Hardcore-Punk-Fegern wie den neuen Titeltrack "Gonna Be A Blackout Tonight". Als ich James darauf anspreche, dass "Fields Of Athenry" zuvor schon von No Use For A Name gecovert worden sei und ob der Song eine spezielle Bedeutung für ihn oder die Band habe meint er:"Ja, wir haben das gerade erst rausgefunden, als der Song aufgenommen wurde. Aber es ist einer meiner Lieblings-Traditionals. Es hat keine tiefere Bedeutung, aber ich mag den Song sehr." Mich interessierte noch, wem die schöne Frauenstimme gehört, die in dem neuen "The Dirty Glass" zu hören ist und die den irischen Charme des Songs unterstützt. "Das ist eine Freundin von uns…Stephanie. Sie ist auch mit auf Tour. Wir haben auch noch ein Johnny Cash-Cover mit ihr zusammen aufgenommen, das irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen wird." Besagte Dame ließ sich auf der Bühne auf jeden Fall nicht Lumpen und fühlte sich sichtlich wohl zwischen all den Männern, die im SO 36 einen dermaßen hohen Lärmpegel erzeugten, dass ich hinterher trotz Stöpseln ein ordentliches Ohrenpfeifen hatte. Manowar hätte sicherlich den Hut gezogen.
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