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Sin Eater

Der Großmeister wabernder Filmmusik, John Carpenter, hat ja vor kurzem sein erstes Album jenseits von Filmscores herausgebracht – und es war reichlich bescheiden. Überlassen wir das Übertragen von cinemascopischer Breitwand-Filmmusik in ein filmunabhängiges Konzept also lieber Leuten, die etwas davon verstehen. So wie Amber Asylum.

Nicht wundern, natürlich haben Amber Asylum nichts gemein mit dem 80er-Synthie-Sound von John Carpenter, wie man jetzt vermuten könnte. Im Gegenteil: Amber Asylums Musik ist hochgradiger organisch, weich, bis zu einem gewissen Grad kitschig und voller warmer Farben. ‚Amber‘ – also Bernstein – trifft hier nicht nur auf die spröde Zerbrechlichkeit zu, sondern auch auf die Farbe, die diese Musik vor den geschlossenen Augen hervorruft. Eine warme, wohlige Farbe ist das, die einen beim Hören umgibt. Wärmer kann solche Musik nicht sein. Genau deshalb ist das hier „Film“-Musik im besten Sinne: Vor den geschlossenen Augen lässt diese Musik Filme, Farben, Bilder ablaufen, und eben nicht nur Töne.

Auch wenn ‚Perfect Calm‘ und ‚TOT‘ mit ihren unglaublichen Cellomelodien noch etwas hervorstechen, ist dies ein Gesamtkunstwerk, bei dem man mitnichten bestimmte Tracks herausreißen darf. Neoklassische Elemente im Stile von Dark Sanctuary verbinden sich mit Post-Rock, tragende Streichermelodien geben sich dem hin, was sie am besten tun: Sonnenuntergänge zeichnen, Gewitter ankündigen und vorbei ziehen lassen, Trauer und Melancholie in Bilder und Töne fassen. Gen Ende des Albums driften Amber Asylum dann endgültig in den Geisterfilm ab, wenn Dark Ambient-Tracks wie der titelgebende „Sin Eater“ einem auf grausam gruselige Art die Seele aus dem Leib fressen.

Amber Asylum greifen tief ins Innere des Hörers. Dorthin, wo der Schmerz sitzt. Mal brauchen sie für das Aufbauen ihrer fragilen Ockertöne nur drei Minuten, mal reichen zehn nicht aus. ‚Sin Eater‘ ist ein Schulterschluss aus Neoklassik, Dark Ambient und Post-Rock, wie ihn noch keine andere Band so eindrucksvoll intensiv gemeistert hat.

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