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Shackles‘ Gift

Es ist vertrackt mit Zun Zun Egui, die einem geich eine ganze Karrenladung Alleinstellungsmerkmale vor die Füße kippen, bevor man sich überhaupt erst in Position gefahren hat, sich auseinanderzusetzen. Das fängt schon mit dem sonderbaren Bandnamen an. Wo nur beginnen, wie einsteigen?, fragt sich da ein Rezensent. Vielleicht mit Mauritius? Ja, vielleicht mit Mauritius. Wer war schon einmal auf Mauritius? Mauritius ist so etwas wie Zun Zun Egui als Insel. Zwölf amtlichen Landessprachen und ähnlich viele Kulturkreise unterfälllt das 700 Kilometer östlich von Madagaskar mitten im indischen Ozean gelegene Eiland; die Gefahr, sich als Reisender wiederholt blaue Flecken an Sprachbarrieren einzufangen, ist entsprechend akut. Möglicherweise sollte einen das aber gar nicht abschrecken. Auf Mauritius ist es nebenbei nämlich auch relativ schön. So schön, dass es sich auszahlen könnte, Sprachen einmal links liegen zu lassen, sich mit gar niemandem zu unterhalten und auf eigene Faust durchzuschlagen, solange man nicht unbedingt die Hilfe eines Mauretaniers benötigt.

Mauretanier? Das sind die Einwohner Mauritius‘ (oder „Mauritii“?). Wer auch sonst. Kushal Gaya, der Sänger und Gitarrist von Zun Zun Egui, ist Mauretanier. Seine Partnerin Yoshino Shigihara am Keyboard ist Japanerin, und ihr Projekt Auffangbecken und Schmelztiegel mindestens genau so vieler Dialekte, wie sie Mauritius vermutlich inzwischen angehäuft hat. Was immer die Stücke auf ihrem zweiten, von Fuck Button Andrew Hung abgeschmeckten Album ‚Shackles‘ Gift‘ auch sein mögen, sie sind es zugleich auch wieder nicht. Hier wird nicht nur gekratzt und gekitzelt, sondern auch gestonert, gedancehallt, ge(post)rockt und gefunkt – und das nicht selten alles in ein und selben Moment. Stilrichtungen und Klangformen reagieren miteinander und neue, skurrile Molekülstrukturen bilden sich. Hat alles ein bisschen was von Darwin und seinen Finken, nicht wahr? Nur gehören die nach Galapagos – und machen nicht so schnell süchtig wie manche scheinbar beliebig zusammenfallende Tune-Kombos auf dieser Platte.

Selbst der Reggae hat sich auf ‚Shackles‘ Gift‘ unter Beimischung lokaler Folk-Elemente verwandelt. In Seggae nämlich. Und die Sprachaufzeichnung, mit der das Album beginnt, ist nur scheinbar Französisch. In Wirklichkeit ist der arme reiche Rezipient in der Fremde gelandet und muss sich seine Umwelt erst einmal erschließen. Genaues Hinhören kann sich dabei auszahlen, denn die extravagantesten Klänge setzt der Hintergrund frei. Perkussives Altglas, desorientierte Riffs, stockende Afrobeat-Bassläufe – von der forschen, in sich verrenkenden Rhythmik als heimlichem Dreh- und Angelpunkt dieses ganzen Durcheinanders sprechen wir am besten gar nicht erst.

Möglicherweise befasst man sich als Hörer besser auch gar nicht mit Genre-Schlagwörtern und klanglich-instrumentaler Aufdröselung. Auf ‚Shackles‘ Gift‘ ist es nebenbei nämlich auch relativ schön. So schön, dass es sich auszahlen könnte, Formalia einmal links liegen und sich auf eigene Faust durchschlagen und mal wieder so richtig akustisch durchkneten zu lassen, solange man nicht unbedingt Entspannung benötigt. Rattata-zong!

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