Es ist 1988 und Saxon tragen Make-Up! Das Bandfoto auf der Rückseite der Remastered Edition von 'Destiny' ist wirklich kaum zu fassen. Paul Quinn mit roten Lippen und hochtoupierten Haaren sieht verdächtig aus. Sicher waren viele Saxon-Fans auch überrascht über den Opener des Albums. Da covern Biff Byford und Co. doch tatsächlich Christopher Cross! Aber die Cover-Version ist genial. Auch dank der erneut bombastischen Produktion machen Saxon aus dem Popsong eine echte Hardrock-Hymne. Trotz aller Riffs gewinnt das radiofreundliche Material auf 'Destiny' endgültig die Oberhand. Mit 'I Can't Wait Anymore' gelang dem Duo Byford/Quinn (mit Unterstützung von Graham Oliver) wieder eine lupenreine AOR-Nummer mit eingängigen Gitarrenharmonien und verschwenderischen Synthesizer-Klängen. Für manchen Headbanger mag das der Alptraum sein. Hingegen kann sich der breit orientierte Hardrock- und AOR-Liebhaber dem nicht erwehren. Die aufdringlichen Keyboards im Refrain des überschwänglichen 'Calm Before The Storm' muss man allerdings schon als dreist bezeichnen. Wer bei den ersten paar (hart rockenden) Takten von 'For Whom The Bell Tolls' denkt, Saxon hätten sich doch noch mal ihrer Metal-Wurzeln besinnt, irrt. Der Hauptteil bietet wieder melodische Feinkost. 'How many more children must die', fragt Biff? Wenige Jahre vorher sang er noch von 'Wheels Of Steel' und 'Denim And Leather'. Beim Intro von 'We Are Strong' verhält es sich nicht anders. Diese Keyboards klingen tatsächlich sogar nach 80er-Pop. Macht aber nichts, denn die alberne Gute-Laune-Nummer macht irgendwie Spaß. Den Original-Sachsen kommt 'Red Alert' noch am nächsten. Die detailverliebte, hochpolierte Produktion von Stephan Galfas überlässt nichts dem Zufall und erinnert dabei häufig an das, was Frank Farian mit seiner Far Corporation abzog: Sehr viele multivokale Passagen oder Refrains, viele Spielereien und ein absolut perfekter Sound. Klar, dass das weit von dem entfernt ist, was Rock- und Metalfans von Saxon hören wollten (und mehrheitlich wohl auch heute noch wollen). Dass es für 'Destiny' mit seinem gefälligen Popmetal damals heftige Kritik hagelte, ist daher keine Überraschung. Das Problem war aber wohl eher die unklare Positionierung von Saxon, die als Metal-Band nun größtenteils AOR spielten. Anders als Def Leppard konnten sie den US-Markt jedoch nie knacken. Wie üblich ist auch die Remastered Edition von 'Destiny' mit einigen Bonus-Tracks ausgestattet. Die Radio-Perle 'I Can't Wait Anymore' kommt im 12'' Mix. Wieder sind ein paar Live-Mitschnitte aus Hammersmith ('Rock The Nations') und Madrid ('Broken Heroes', 'Gonna Shout') mit dabei. Das Highlight sind aber die Monitor-Mixes von 'Ride Like The Wind' und 'For Whom The Bell Tolls', die in ihrer Reduktion auf das Wesentliche einen totalen Kontrast zur Galfas-Produktion darstellen. Die Ausrichtung war ganz klar kommerziell. Saxon haben vieles versucht, um den ganz großen Erfolg zu erreichen, sogar das Bandlogo wurde für das neunte Studioalbum verändert. (Das klassische Logo-S war allerdings auf dem Cover zu sehen und sah aus wie ein altes Ausstellungsstück, das nun in einer Lagerhalle eingemottet wird.) Retrospektiv muss man aber zugeben, dass ihnen mit 'Destiny' ein erstaunlich gutes Album gelungen ist, das im Vergleich zu den beiden Vorgängern sogar eine eindeutige Ausrichtung hatte. Dank dieser ist es für Fans von melodischem (kommerziellen) Hardrock deutlich interessanter als für den typischen Headbanger. Na und?