|

Retrospektiw (3-LP-Boxset)

Als Magma 1981 die unter dem Namen „Retrospektiw I&II“ und „Retrospektiw III“ bekannten Livemitschnitte veröffentlichten, war die große Zeit der Zeuhl-Erfinder eigentlich schon vorbei. Die beiden Livealben konzentrierten sich aber auch vornehmlich auf altes Material, so daß die „Retrospektiw“-Alben oft als guter Einstieg in die Welt der Band empfohlen wird – etwas unfein, daß die Scheiben selbst gebraucht meist nur zu Fantasiepreisen zu haben waren. Das kultige US-Label Southern Lord schafft nun zumindest kurzzeitig Abhilfe: mit dem vorliegenden Boxset „Retrospektiw“, welches alle drei LPs in einer schicken Box mit Comic versammelt.

Die erste LP enthält das vollständige „Mekanik Destruktiv Kommandöh“-Album, die zweite das ebenfalls die komplette Scheibe einnehmende, damals unveröffentlichte Stück „Theusz Hamtaahk“ und die dritte schließlich neben dem bekannten ‚Hhai‘ mit ‚Retrovision‘ und ‚La Dawotsin‘ zwei weitere damals neue Songs. Die Soundqualität der Mitschnitte ist exzellent und deutlich durchsichtiger und rock-orientierter als die des sechs Jahre zuvor veröffentlichten „Magma Live“. Soviel zu den Fakten.

Die Musik von Magma zu beschreiben ist alles Andere als einfach. Zeuhl, ja, ich erwähnte es ja bereits. Was das bedeutet? Who knows! Am ehesten kann man sich das Ganze vorstellen, als habe Frank Zappa sein „Uncle Meat“-Album zum Soundtrack eines Siebziger-Jahre-Fantasy-B-Movies umgeschrieben und dem schrägen Jazzrock noch wagnerianische Weltuntergangschöre, Bibelfilm-Bläser, Engelsgesäusel, hysterische Walküren, Propagandareden in einer selbsterfundenen Sprache und prä-astronautische Beschwörungsrituale für Besucher von fremden Planeten hinzugefügt. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, daß nur wenige Jahre nach Magmas „Mekanik Destruktiv Kommandöh“-Album (frühere Alben klangen noch weit konventioneller) ebenfalls in Frankreich das „Metal Hurlant“-Magazin aus der Taufe gehoben wurde: die schräg-düsteren, bisweilen avantgardistischen Comics von Moebius und Phillippe Druillet vermitteln nämlich eine ganz ähnliche Atmosphäre. Technisch gesehen ist das natürlich von höchster musikalischer Qualität, doch die geschmacklich bedingten individuellen Reaktionen auf eine Erstbegegnung mit der Band fallen gewöhnlich in eine der drei folgenden Kategorien: a. Kopfschmerzen, b. lautes Lachen oder c. Liebe fürs Leben.

Auf keinen Fall sind Magma Musik zum Nebenbeihören – auch wenn die Versionen auf „Retrospektiw“ dank der Liveatmosphäre weit „rockiger“ und somit „gefälliger“ klingen als die Originale. Die Gänsefüßchen sind entsprechend aber absolut notwendig – wer bereits bei Yes und Genesis am Rande seiner Toleranz angelangt ist, braucht Magma keines weiteren Gedankens zu würdigen. Wer aber nach den unkommerzielleren Momenten King Crimson, Zappa und Van Der Graaf Generator das nächste Abenteuer im Prog sucht, wird früher oder später hier landen. Immerhin, Magma dürften wohl noch über Jahre vor einer Hipster-Renaissance sicher sein. Das ist ja schließlich auch was wert. Oder, auf Kobaianisch: Wenn ist das Nunstück git und Slotermeyer? Ja! Beiherhund das Oder die Flipperwaldt gersput!

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar