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Ray Wilson – So ist nun mal das Leben

WS: Hallo Ray! Sprechen wir doch erst einmal ein wenig über Dein bald erscheinenden Livealbum „Time And Distance“!
„Ray:

Wenn ich live spiele, spiele ich eben Songs von meiner Solokarriere, der Welt von Genesis und von Stiltskin. Das erwartet mein Publikum mittlerweile von mir. Also macht es auch Sinn, das Livealbum so zu präsentieren, daß es meine Shows wiederspiegelt. Der einzige Unterschied ist, daß eben eine Disk nur Musik aus der Genesis-Welt enthält und die andere meine eigenen Solosongs. Ich mag es, all diese Songs zu spielen, ob ich sie nun geschrieben habe oder nicht.

WS: Obwohl mir Deine Interpretationen der Genesis-Songs vor Deiner Zeit sehr gut gefallen, würde ich mir aber oft wünschen, einen Set zu hören, der ausschließlich Deinen eigenen, sehr umfangreichen Backkatalog featuret. Wie stehen die Chancen für sowas?

Ray:

Ich habe ja schon Shows mit nur meinen eigenen Songs bestritten. Gerade in Clubs, in denen ich schon öfter gespielt habe und in denen die Zuhörer mit meiner Solokarriere vertraut sind. Die Genesis-Sachen dieses Albums sind größtenteils in Holland aufgenommen, wo sich in den letzten Jahren ein guter Markt für mich entwickelt hat. Es ist allerdings aber auch so, daß die holländischen Fans meine Solokarriere erst zu entdecken beginnen, also mische ich die Sets ein wenig mehr als ich es womöglich in einigen Städten in Deutschland machen würde, wo meine Songs schon bekannt sind. Die meisten Solosongs wurden in Hamburg aufgenommen, die Genesis-Songs zum Großteil in Holland.

WS: Deine Solokarriere begann ja mit der Band Garanteed Pure, deren „Swing Your Bag“-Album seinerzeit im Funny Farm-Studio von Fish aufgenommen wurde. Wie kam es dazu?

Ray:

Fish, wie Du vermutlich weißt, hatte dieses sehr feine Studio in der Nähe von Edinburgh. Die ganze Musikszene von Edinburgh wollte dort aufnehmen, weil es eben so ein tolles Studio war. Als Guaranteed Pure also nach einem Studio suchten, war es eine offensichtliche Wahl!

WS: Der Titeltrack des Albums erschien ja danach auch auf Fishs „The Outpatients“-Compilation. Im Booklet dieser Scheibe war ja damals Deine Telefonnummer abgedruckt – gab es viele Anrufer, als wenige Monate später Stiltskin durch die Decke gingen?
Ray_Wilson_2017_3.jpg „Ray:

Nun, Fish kam ein paarmal während unserer Recording-Sessions vorbei, und er muss wohl ‚Swing Your Bag‘ gehört und den Humor des Songs gemocht haben. Als er also fragte, ob er den Song auf seiner Compilation veröffentlichen dürfte, haben wir das natürlich gerne erlaubt! Als ich aber bei Stiltskin einstieg, hatte ich bereits eine neue Telefonnummer, da ich nicht mehr in der Wohnung lebte, die ich während der Guaranteed Pure-Zeit hatte. Also, auch keine verrückten Anrufe! (lacht)

WS: Als ich vor kurzem das „Swing Your Bag“-Album noch einmal gehört habe, mußte ich feststellen, daß tatsächlich schon einige Sachen wie die Streicher und das Saxophon oder die Country/Americana-Elemente zu hören sind, die ja in den letzten beiden Soloalben wieder in den Vordergrund getreten sind…

Ray:

Ich denke, das Saxophon kommt von meiner Springsteen-Begeisterung, und die Violinen vom Country und Country-Rock wie Neil Young, John Mellencamp, Jackson Browne und den Eagles. Mein Vater hat diese Musik permanent gehört, also hat es sich in meiner Seele verankert, ob ich das wollte oder nicht!

WS: Guaranteed Pure tauchten ja Jahre später, nach Stiltskin und Genesis, als Cut wieder auf, mit einem starken Album und als starker Liveact. Dein Bruder Steve ist ja immer noch Teil Deiner Liveband, aber Paul Holmes und John Haines scheinen komplett vom Erdboden verschluckt worden zu sein! Hast Du noch Kontakt zu ihnen und was treiben die beiden heute?

Ray:

Paul hatte die Musikszene für eine Weile komplett verlassen, aber ich glaube, er spielt heute immer noch gelegentlich in Pianobars in Europa. Er war ein richtig toller Entertainer für solche Pianobars, und dadurch habe ich ihn tatsächlich auch kennengelernt. Wir haben extrem schwer geschuftet als Guaranteed Pure, aber es hat sich nichts für uns getan. Also haben wir es letztendlich sein gelassen und ich bin bei Stiltskin eingestiegen. John spielt immer noch in Edinburgh, glaube ich, aber Musik war nie sein Hauptberuf. Er hat das Ganze nur zum Spaß gemacht.

WS: Du spielst derzeit einige Shows zum Jubiläum „Deines“ Genesis-Albums „Calling All Stations“. Nun verlief ja Deine Trennung von Genesis damals eher unschön, Du hast ja auch einige Songs auf Deinene ersten Soloalben über das Thema geschrieben, die sehr verletzt klangen. Siehst Du die Zeit heute mit anderen Augen oder trennst Du die Songs von dem, was passiert ist?
Ray_Wilson_2017_4.jpg „Ray:

Wenn es um gute Songs geht, gibt es kein emotionales Gepäck zu tragen. Das Gute daran, schlecht behandelt oder enttäuscht zu werden, ist, daß es Dir viel Inspiration für Dein Songwriting liefert. Ich denke, die Art, wie ich behandelt wurde, ist bereits ausreichend dokumentiert. Das ist aber deren Problem, nicht meins. Ich habe das Beste aus allem, was ich habe, gemacht – als Künstler wie auch als Mensch. Ich bin sehr stolz auf alles, was ich gemacht habe. Jeder hat Geschichten übers Verletztwerden und Enttäuschungen. So ist nun mal das Leben.

WS: Nur relativ wenig ist bekannt über die Ray Wilson Foundation. Um was geht es da?

Ray:

Wir haben die Foundation vor ein paar Jahren in Polen gestartet, wo ich lebe. Die Idee war, künstlerische Projekte zu unterstützen und weniger privilegierten jungen Menschen zu helfen. Ich lebe mittlerweile seit neun Jahren in Poznan, und die Stadt und das Land waren sehr gut zu mir. Das ist nur eine kleine Gelegenheit, mich zu bedanken.

WS: Dein Zeitplan ist immer brechend voll, so hast Du bereits über sechzig weitere Shows auf Deiner Website gelistet, die bereits bis November 2018 geplant sind. Wie bekommst Du Dein Privatleben dabei in den Griff?

Ray:

Meine Freundin ist Tänzerin und auch ständig auf Tour, also treffen wir uns oft auf halbem Weg, wenn wir mal einen Tag frei haben. Es hält das Leben aufregend, wenn ich ehrlich bin. Auch wenn ich weiß, daß diese Lebensweise nichts für Jeden wäre. Ich denke auch, das es wichtig ist, daß man damit klarkommt, alleine zu sein. Mit sich selbst und der eigenen Gesellschaft zufrieden sein. In meinem Leben gab’s Höhen und Tiefen, aber ich denke ich habe extrem viel Glück gehabt, daß ich ein natürliches musikalisches Talent und den Antrieb und die Zielstrebigkeit hatte, die man braucht, um im Musikbusiness Erfolg zu haben.

WS: Zum Abschluss, hast Du bereits angefangen, am nächsten Album zu arbeiten und, wenn ja, was können wir erwarten?

Ray:

Nun, angefangen habe ich bereits, wie man das ja erwarten kann. Es ist wohl noch zu früh, zu wissen, wo die Musik hingeht, aber so, wie unsere Welt sich derweil zeigt, gibt es genug zum Schreiben. Die Welt scheint völlig verrückt zu werden – dagegen bin ich nur ein bißchen verrückt… (lacht)

Soweit Ray Wilson. „Time & Distance“ erscheint am 29. September und ist ein perfekter Einstieg in die musikalische Welt eines der wohl besten Rocksänger unserer Zeit.

Vielen Dank an Ray für seine Zeit und an Tymon von Gordeon Music für’s Organisieren des Interviews.

Fotos: Gordeon Music

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