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RAGE, DARKER HALF und MESSIAH’S KISS in Kaiserslautern


Messiah’s Kiss eröffneten den Abend und haben einen Vorteil, der sie von allen anderen Bands abhebt: sie verfügen mit Mike Tirelli über einen der besten Metalsänger überhaupt. Das weiß die Band selbst sehr gut, und demnach sind auch alle Songs darauf abgestimmt, dieser Weltklassestimme einen perfekten Rahmen zu geben. Das führt wiederum dazu, daß Messiah’s Kiss über einen ganzen Haufen extrem eingängiger Songs verfügen, die in der Livesituation auch ohne Vorkenntnisse direkt mitreißen. Natürlich orientieren sich die Riffs und die generelle Ausrichtung stark an der Frühachtziger-Phase von Judas Priest, abgeschmeckt mit Rainbow– und Dio-mäßigen Hooklines, aber es dürfte ja auch kaum einen Traditions-Metaller geben, der mit dieser Mischung nichts anfangen kann. messkiss.JPG

Demnach konnte die deutsch-amerikanische Freundschaft von Beginn des Sets ab gleich gute Reaktionen verbuchen. Ob mittlerweile schon vierzehn (!) Jahre alte Stücke vom Debütalbum wie das großartige ‚Light In The Black‘ oder Highlights vom nach wie vor aktuellen „Get Your Bulls Out“-Album wie das exzellente Cover von Depeche Modes ‚It’s No Good‘, Messiah’s Kiss empfahlen sich als – leider immer noch – Geheimtipp für Fans melodischen Metals, denen kitschfreie und hochklassige Musik wichtiger ist als ein Panzer auf der Bühne. Der coole Titelsong des ‚Dragonheart‘-Albums beendete den überzeugenden Set, und den T-Shirt-Verkäufen nach dürften Messiah’s Kiss an diesem Abend einige neue Fans gewonnen haben.

Ich muss gestehen, von Darker Half bislang noch nicht einmal den Namen gehört zu haben. Die Australier betourten Europa aber auch erst zum zweiten Mal, in Deutschland sind sie auf dieser Tour sogar erstmals zu Gast. Dank einer extrem energiegeladenen Bühnenshow und der eingängigen und ordentlich ballernden stilistischen Mischung aus Agent Steel, frühen Flotsam & Jetsam und Iron Maiden auf Speed schafften es die Jungs aber recht fix, das Bangervolk auf ihre Seite zu ziehen. Herausragend dabei vor allem Sänger und Gitarrist Vo Simpson, der sowohl in den mittleren Lagen als auch mit waschechter Sirenenstimme zwischen John Cyriis und Bernhard Weiss beeindrucken konnte. Dazu lieferte er auch noch exzellentes Leadgitarrenspiel, während dessen er noch dazu die ganze Zeit unaufhaltsam die Matte schüttelte. Eine echte Rampensau, der Kerle! darker.JPG

Auch Bassist Alex Hughes, der auf dieser Tour für den etatmäßigen Tieftöner Simon Hamilton einsprang, war ein absoluter Aktivposten und erinnerte in Haltung, Spiel und Sound mehr als einmal an den legendären Phil Lynott. Auch musikalisch war Hughes mehr als nur Ersatz, die Rhythmusgruppe präsentierte sich auch bei Höchstgeschwindigkeit gnadenlos tight und jederzeit souverän. Wohl am Beeindruckendesten am Set der Band ist aber, daß das gelungene Cover von ‚Aces High‘ qualitativ gar nicht mal so weit aus den Darker Half-Songs herausstach und Rübenabschrauber wie ‚Blinded By Darkness‘ und ‚End Of The Line‘ vom mittlerweile gut aufgewärmten Publikum genauso begeistert aufgenommen wurden. Mit dem höchst eingängigen Titelsong des letzten Albums ‚Never Surrender‘ verabschiedete sich das australische Speedkommando mit einem echten Kracher. Sollte es Darker Half gelingen, die rotzige Energie ihrer Liveshows in Zukunft besser einzufangen als auf dem etwas zu sauber geratenen „Never Surrender“-Album, dann wird die Band auch bei europäischen Traditionsmetallern bald auf allen Einkaufszetteln auftauchen. Mehr zu Darker Half demnächst hier bei Whiskey-Soda!

Noch vor einem knappen Jahr waren Marcos Rodriguez (gtr) und Lucky Maniatopoulos (dr) die Neuen bei Rage, diesmal kann Peavy Wagner ein lockeres „Die beiden brauch‘ ich euch ja schon nicht mehr vorzustellen, oder?“ in die Runde werfen und erntet dafür lauten Jubel. Vergessen sind die Bilder der 30th Anniversary Tour vor zwei Jahren, bei der Rage statt von Jubiläums-Feierstimmung eher von der Egodarstellung gewisser Bandmitglieder angetrieben schienen und Wagner bisweilen ungewohnt distanziert vom Rest der Musiker fast wie ein Fremder in seiner eigener Band gewirkt hatte. Das von der Band mittlerweile oft benutzte Wort „Familie“ trifft dabei genau des Pudels Kern. Rage wirken heuer endlich wieder wie eine echte Band. Egomätzchen sind wieder echter Spielfreude und positiver Energie gewichen, und das merkt natürlich auch das Publikum, das schon vom Opener ‚The Devil Strikes Back‘ ab wie eine Eins hinter dem Trio steht, mitbangt und -singt. rage2.JPG

Die Setlist hat sich seit damals auch kräftig gewandelt. Neben vier Songs aus dem aktuellen Album haben Rage mit Schwerpunkt auf den 1990ern jede Menge Songs ausgewählt, die in den Jahren davor selten oder gar nicht gespielt worden waren. Dafür mußte mancher einst obligatorische Song diesmal weichen. Auf ‚Down‘ oder ‚Straight To Hell‘ wartete man also diesmal vergeblich, dafür gab’s ein tierisch groovendes ‚The Pit And The Pendulum‘ oder den Titelsong von ‚End Of All Days‘. Noch besser, Marcos und Lucky machten im Gegensatz zu manchem Ex-Mitglied zu keiner Sekunde den Eindruck, die alten Sachen nur unwillig zu performen. Ganz im Gegenteil, die ganze Band zelebrierte sowohl Aktuelles als auch Klassiker lustvoll und frisch mit jeder Menge Schmackes – und Spaß in den Backen. Lucky erinnerte spielerisch nicht selten an seinen Tri-State Corner-Kollegen Chris (der ja von 1987 bis 1999 am Rage-Schlagzeug gesessen hatte), und Marcos bewies, daß er keinerlei Probleme hat, in die Fußstapfen seiner musikalisch ja nicht gerade untalentierten Vorgänger zu treten und dabei gleich noch seine eigene Duftnote zu hinterlassen. Wie sagte David Gilmour einst: einen Weltklassegitarristen erkennt man nicht daran, daß er nur ein hammermäßiges Solo spielt, sondern daran, daß er irgendwann auch wieder damit aufhört. Der ständig grinsende Marcos ist ein perfektes Beispiel für diese These, hier regierte Riffpower vom Fass und Feeling für die Songs statt seelenlosem Gedudel.

Und Peavy – nun ja, ist halt Peavy. Der Mann hat eine der eigenständigsten Stimmen und ist noch dazu einer der charismatischsten Frontmänner des gesamten Metalzirkus. Peavy könnte das Telefonbuch runterbeten, und das Ganze würde noch irgendwie cool und authentisch wirken. Aber so gutgelaunt und energiegeladenen hat man ihn in den letzten Jahren trotzdem nur selten erlebt. Ganz offensichtlich genießt er den Liveauftritt, freut sich über die Begeisterung aus dem Publikum, macht Späßchen, schafft es dann aber wieder, in Songs wie ‚Deep In The Blackest Hole‘ unaufgesetzt und unkitschig in dunklere emotionale Welten abzutauchen. Noch dazu singt er nach wie vor problemlos auch Material, daß er teils bereits vor dreißig Jahren aufgenommen hat – wie zum Beispiel den seit 23 (!) Jahren erstmals wieder live gespielten „Execution Guaranteed“-Kracher ‚Down By Law‘, das wie anno dunnemals natürlich auch gerne als Mitsingspielchen angenommen wird. rage3.JPG

Ohne das folgende ‚Don’t Fear The Winter‘ geht natürlich keine Rage-Show zuende, und im Zugabenblock gibt’s mit ‚My Way‘ nochmal einen Song vom letzten Album, der schon jetzt seinen Platz unter den Klassikern erspielt hat. Ebenfalls nicht fehlen darf das ebenso unkaputtbare ‚Higher Than The Sky‘, mit auch optisch absolut authentischer ‚Holy Diver‘-Einlage von Marcos und einmal mehr lautstarken Singalongs. Danach ist zwar leider schon Schluss, aber eine Band wie Rage könnte eben auch drei Stunden spielen, ohne auch nur ansatzweise alle Highlights aus den 23 (!) bisherigen Studioalben unterzubringen. In dieser Form bin ich mir sicher, daß die Fans das Experiment mit den drei Stunden auch gerne gewagt hätten!

Obwohl ein Dienstagabend normalerweise nicht viel verspricht, boten die drei Bands an diesem Abend perfektes und zeitloses Heavy Metal (!)-Entertainment, ohne Klischees, Lametta und Trve Metal-Warrior-Brimbamborium, dafür mit großartigen Songs, mitreißenden Performances und sympathischen Musikern, die an ihrer Mucke Spaß haben. Besser kann man den Nikolausabend fast nicht verbringen.

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