|

QUID PRO QUO

Während ihrer über 20-jährigen langen Karriere haben sich In Extremo stets aus der Politik herausgehalten, waren eher Gaukler, Barden und Marktschreier als politisierende Propheten. Doch mit ihrem zwölften Album ändert sich das. Man könnte ‚QUID PRO QUO‘ beinahe ein Konzeptalbum nennen. Der lateinische Ausspruch steht frei übersetzt für das Geben und Nehmen – und In Extremo gehen diesem Prinzip in all seinen Facetten auf den Grund.

Mit dem Opener ‚Störtebeker‘ huldigen sie gleich zu Beginn dem sagenumwobenen Robin Hood der See. Dass es ihn als Piraten nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wohl nie gegeben hat, ist In Extremo hier nicht wichtig. Es geht um ein ‚Räuberlied‘, um eine Geschichte – in diesem Fall vor allem vom Nehmen, also Plündern. ‚Roter Stern‘ ist dagegen ein Loblied auf Russland, wo die Band eine treue und wachsende Fangemeinde hat, und besonders auf die hilfsbereite russische Mentalität. Selbst

‚in der Not‘

teilt man hier alles, auch das

‚letzte Hemd‘

.

Der Titelsong greift das Thema dagegen aus einer kritischen Perspektive auf. Als zynische Kritik an unserer Konsumgesellschaft kommt er daher. Im Refrain singt Frontmann Micha ‚Das letzte Einhorn‘ Rhein mit erhobenem Zeigefinger

‚Quid pro quo, quid pro quo, es geht nur noch ums Nehmen‘

. In Extremo kritisieren hier einerseits scharf die Geldgier der Menschen, aber gleichzeitig kommt in den Strophen der Witz dann doch nicht zu kurz:

‚Dasein ist Kunst, nicht mal der Tod umsonst‘

. Nach einigen weiteren Songs ohne direkten Bezug zum Thema schließt ‚Sternhagelvoll‘ das Album ab und damit auch den Kreis ums Geben und Nehmen: Aus einer gemütlichen Kneipenrunde wird plötzlich eine Schlägerei. Man teilt aus, steckt ein und letztlich verträgt man sich wieder bei einem Glas Bier. Auch wenn es bei boomenden Streaming-Diensten nicht mehr so oft vorkommt – wenn man die CD in den Händen hält und sie hin und her wendet, entdeckt man auf dem Cover genau diesen Wechsel von Schlägerei und Vertragen, den Kreislauf einer rauen, aber herzlichen Männerfreundschaft.

Aus musikalischer Sicht ist ‚QUID PRO QUO‘ deutlich vielseitiger und raffinierter als sein Vorgänger ‚Kunstraub‘. Vor allem bei ‚Pikse Palve‘, einer schönen folkloristischen Nummer mit einem uralten estländischen Text, spürt man, dass sich In Extremo wieder auf ihre mittelalterlichen Wurzeln besonnen haben. Und auch gerade wegen der Fremdsprachen hebt sich das Album ab. ‚Dacw ’nghariad‘, eine herrlich harte Interpretation eines walisischen Folkliedes, wird vom Letzten Einhorn ebenso in der Originalsprache mit rauer Stimme vorgetragen wie ‚Schwarzer Rabe‘, ein Lied über den russischen Sensenmann. Auch dieses Lied steht für die Liebe zu Russland und wurde gemeinsam mit dem Moskauer Kosaken-Chor aufgenommen.

Eine weitere Besonderheit: Bei keinem Album zuvor gab es so viele Gastauftritte. Bei Roter Stern hört man Hansi Kürsch, Sänger von Blind Guardian, zum ersten Mal auf Deutsch singen. Noch beeindruckender ist dagegen der Beitrag von Marcus ‚Molle‘ Bischoff und Alexander ‚Ali‘ Dietz von Heaven Shall Burn. Sie schrieben einen kleine Metalcore-Bridge für den Song ‚Flaschenteufel‘, gespickt mit Alis harten Riffs und Molles unverkennbaren Growls.

In Extremo landeten mit ‚QUID PRO QUO‘ verdient auf Platz 1 der deutschen Album-Charts. Wieder einmal haben sie gezeigt, warum sie nicht nur die Pioniere des Mittelalter-Rocks sind, sondern diesen immer noch mit viel Energie, Erfahrung und Einfallsreichtum anführen.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar