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Poison The Parish

Ender der 1990er bis Anfang des Jahrtausends, als Nu Metal selbst den Nu Metal-Fans zu doof wurde, war für eine kurze Zeit einmal das Genre „Neo-Grunge“ angesagt. Bands wie Creed, Nickelback, Breaking Benjamin und Hoobastank verbanden im Fahrwasser des Erfolges der Foo Fighters Stilelemente von Grunge, Nu Metal, mainstreamigen Alternative-Poprock und traditionelle Classic Rock-Elemente zu einer sehr eingängigen, meist – im Gegensatz zum „echten“ Grunge – äußerst keimfrei und radiotauglich produzierten Mixtur, die größtenteils auf dem Disney-Label Hollywood Records erschien und konsequenterweise in den USA (und teilweise auch in Europa) enorm erfolgreich war.

Die meisten Bands der Bewegung sind längst vergessen, und daß ausgerechnet die Südafrikaner Seether im Jahr 2017 noch aktiv sein würden, hätte damals mit Sicherheit niemand vorhergesehen. War deren einziger Hit doch eher im Fahrwasser des riesigen Evanescence-Erfolges entstanden, da deren Amy Lee sich auf ‚Broken‘ mit Seethers Shaun Morgan duettiert hatte. Nun, „Poison The Parish“ klingt exakt genauso wie damals das Hitwerk „Disclaimer“. Und, warum auch nicht? Balladen wie ‚Against The Wall‘ und ‚I’ll Survive‘ oder Rocker wie der Opener ‚Stoke The Fire‘ und die Single ‚Let You Down‘ sind mit Sicherheit nicht schlechter als das, was die Band in ihrer Hochphase veröffentlicht hat. Im Gegensatz zu den halbgaren Comebackversuchen vieler Kollegen merkt man Seether auch an, daß es sich um eine seit zwanzig Jahren dauerhaft bestehende Band handelt und nicht um eine Horde zynischer Has-Beens, deren Inspiration für die Reunion die Tatsache ist, daß die Kohle fürs Koks ausgegangen ist.

Natürlich, wer besagten Stil damals schon nicht abkonnte, wird auch heute erst recht kein Seether-Album kaufen. Da allerdings die Vierzehnjährigen, die damals zu ‚Broken‘ geweint/gepoppt haben, heute allesamt auf die Dreißig zugehen und somit ihre ersten musikalischen Nostalgiegefühle erfahren, könnte eine Zielgruppe durchaus vorhanden sein. Da in Songs wie dem Alice In Chains-/Black Sabbath-lastigen ‚Emotionless‘ oder dem knurrigen, mit durchaus aggressiven Screams abgerundeten ‚Nothing Left‘ auch noch gelegentliche Ecken und Kanten vorhanden sind, kann man Seether – auch, weil ihr Stil kommerziell betrachtet definitiv derzeit toter als tot ist – auch keinen Zynismus vorwerfen. Das ist alles durchaus ordentlich und vor allem nicht [i]zu[/i] dümmlich gemacht (hust-BUSH!-hust-NICKELBACK!-hust), wenn auch nach wie vor nicht allzu originell. Da die Songs aber stimmen und das Durchhaltevermögen der Band irgendwo doch Respekt abnötigt, gibt es für Seether 2017 durchaus einen Daumen nach oben.

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