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Our Love

Neo-Flowerpower, schmierfreie Synthie-Farbkleckse und legerer Midtempo-Beat: Unter dem Deckmantel sanguiner Farbenfreude widmet sich Blumenmädchen Dan Snaith auf seinem neuen Album der einzig wahren Album-Thematik: der Liebe. Genauer: unserer Liebe. Aber welcher denn auch sonst? Der der Blattläuse?

Der Opener ‚Can’t Do Without You‘ hat es mit seinem überbeanspruchten Kehrvers längst unter die Nervensägen der Saison geschafft. Böse sein kann man dem Dancefloor-Doc mit dem schütteren Haar dafür irgendwie trotzdem nicht; Liebe nervt halt manchmal. Ganz nah ran an seine HörerInnen wollte der promovierte Mathematiker mit diesem Album, näher noch als Sven Plöger mit seinem integrativen Wetterbericht an die Fernsehzuschauer. Dazu reicht er ihnen freundlich die Hand mit im weiteren Sinne housigen, diskotauglichen Elektro-Beats, die sich aber schließlich als introspektiver und fordernder erweisen, als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Die bunten Farbkleckse sind unter lauwarmem Wasser flott abgespült; zum Vorschein kommt schwierige Substanz. Ein Glück, denn so hat man an ‚Our Love‘ noch lange nach dem ersten Dreh sein Vergnügen. Beziehungsweise zu knabbern: Caribou beleuchtet die Chose ganzheitlich und – würde man auf seinem akademischen Hintergrund herumreiten wollen – mit mathematischer Genauigkeit.

Begonnen von den düsteren Bass-Loops und Owen Palletts Streichereinsätzen in ‚Silver‘ über die (im Grunde abkömmlichen) Gesangspassagen Jessy Lanzas in ‚Second Chance‘ bishin zu den aquatischen Klangfiguren von ‚Dive‘ haben auf ‚Our Love‘, das sich gelenkig in den Spalt zwischen Melancholie und Beschwingtheit lehnt, verblüffend viele Ideen ihren Platz. Bröckchenweise Gesangssamples piksen dem Hörer Mal für Mal in die Seite, Echos verpuffen im Rückraum, Synthie-Nebel verhüllen Snaiths fragile Vocals teils bis zu deren Entfremdung und reißen sie wie ein Krake mit in die Tiefe. ‚Back Home‘ betreibt angestrengt Fehleranalyse einer gescheiterten Beziehung, den exotischen Touch besorgt ‚Mars‘ mit Panflöten-Synths und Ethno-Drumming und ‚All I Ever Need‘ zeigt, wie sich aus einem Einsteigersatz synthetischer Bauklötzchen die großartigsten Aufbauten bewerkstelligen lassen. Und weil das so klasse klingt, greift Caribou es im letzten Track, ‚Your Love Will Set You Free‘, in einer nur leicht abgewandelten, gedrosselt-verdunkelten Reprise wieder auf. Auch sonst ist ‚Our Love‘ ein Album der Revisionen: kaum ein Stück, das nicht auf den zweiten oder dritten Blick seine Gestalt, Stimmung oder Farbe zu wandeln scheint.

Darin wird es seinem Gegenstand letztlich nur gerecht. Liebe ist nicht die Kristallsphäre, als die andere Künstler sie sich gern vorstellen, und genau deswegen hat Caribou Facetten drangeschliffen. Die lässt er gekonnt im Lichte rotieren: ‚Our Love‘ ist eine erfrischend unlogische Fortsetzung seines tollen Vorgängers ‚Swim‘ von vor vier Jahren; es ist konnex, in sich stimmig (aller Psychedelika zum Trotz), legt aber zugleich ob seiner Spannweite keine ausfüllenden oder sonst vernünftigen Anspieltipps nahe. Die Liebe, sie ist immer unterschiedlich. Und nimmt immer wieder von Neuem ihren Lauf.

‚All my life girl / people treat me bad / But my next love / will be the best I ever had‘

, sinniert der ironischer Weise seit Jahren glücklich verheiratete Musiker. Wollen wir es ihm noch mal durchgehen lassen.

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