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Obscura Live 2016 – Progressive Death Metal hoch 4

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Rivers of Nihil eröffneten den niveauvollen Metal-Abend härterer Gangart pünktlich um 19.30 Uhr im bereits gut gefüllten großen Saal des Aarauer KiFF Clubs. Zwei Alben bei Metalblade hat das Quintett von der US-Ostküste bisher veröffentlicht, und es sind beides wahre Perlen. Stakkato-Rhythmen, derbe Growls und von dissonanten Zwischentönen durchzogene Todesmetall-Melodien. Das zu Beginn besonders düstere ‚Rain Eater‘, das dann aber zum Hochgeschwindigkeits-Rekord ansetzt, das beinahe doomige ‚Sand Baptism‘ oder ‚Perpetual Growth Machine‘, das von beidem etwas hatte: Immer flogen die Finger der beiden Gitarristen Brody und John geradzu über die Gitarrenhälse. Sound und Live-Energie ließen keine Kritik zu. Ein wahrhaft würdiger Auftakt eines musikalisch hochwertigen Abends.

„Beyond Creation aus dem französischen Teil Kanadas interessierten sich nach zwei Knüppel-Songs zur Begrüßung für die Anwesenheit von französischsprachigen Konzertbesuchern. Erstaunlich viele jubelnde Hände gingen auf die Frage nach oben, die französische Schweiz ist nur rund eine Stunde entfernt. Die Hälfte des frankophonen Publikums hatte Beyond Creations Frontmann Simon Girard damit also bereits in der Tasche. Die Band aus Montreal ist für technisch besonders anspruchsvollen Death Metal bekannt, der mit häufigen Tempo- und Taktwechseln vermutlich die am wenigsten zugängliche Variante Schwermetall des Abends darstellte. So war der Jubel zwischen den Songs zwar groß, aber die Action vor der Bühne in Form von Moshpits hielt sich doch relativ in Grenzen. Der eine oder andere stand „nur“ ehrfürchtig auf halber Distanz und bewunderte die technisch ausgefeilten Songs, den derben Wechselgesang der beiden Gitarristen und den unglaublichen Mann hinter dem Schlagzeug.

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Schon war es Zeit für die dritte Band des Abends, mit einer stilistisch leicht anderen Ausrichtung. Bei Revocation, der US-Band um Gitarrist und Sänger David Davidson, sind das vor allem zwei Faktoren: Den wesentlich deutlichere Ausrichtung am Thrash-Metal und die Tatsache, daß Davidson Berklee-Absolvent an der Jazz-Gitarre ist. Das Berklee Music College bei Boston ist berühmt für sein hochwertiges Studienprogramm und hat unter seinen Absolventen so berühmte Namen wie John Petrucci (Dream Theater), Mike Portnoy (Winery Dogs, Transatlantic), Joey Kramer (Aerosmith)oder Steve Vai. Davidson stellte sich dann mit seinen teils dissonanten, teils verspielten Saitenspielen auch tatsächlich als der spannendste unter den vielen hochkarätigen Gitarristen des Abends heraus. Bis 2009 unter dem Namen Cryptic Warning aktiv, haben die Jungs von der Ostküste seither fünf Studio-Alben veröffentlicht, das neueste Werk mit dem Titel „Great Is Our Sin“ erst in diesem Sommer. Von dem gaben die vier Jungs natürlich auch etliche zum Besten – und was soll man sagen außer großartig? Revocation sind groovig, melodisch, schnell, hart und technisch anspruchsvoll, ohne jemals langweilig zu werden. Wenn man den natürlich vorhandenen Schuss Death-Metal vertragen kann, dürften Revocation momentan einer der besten (Progressive) Thrash Metal Bands da draußen sein.

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Seit langem wieder einmal in der Schweiz, zeigte sich Sänger Steffen Kummerer von Obscura publikumsnah und auf sympathische Weise dankbar, daß an einem Wochentag doch gut 100 Metalfans ihren Weg nach Aarau gefunden hatten. Der Headliner des Abends zeigte sich routiniert, konzentriert und professionell, obwohl die Hälfte der Posten in der Band im letzten Jahr neu besetzt werden mussten. Die langjährigen Mitglieder Hannes Grossmann (Drums) und der großartige Christian Münzner hatten die Band verlassen und mit Alkaloid eine neue Band gegründet. Mit den beiden Musikhochschul-Absolventen Rafael Trujillo (Gitarre) und Sebastian Lanser (Drums) von den Jazz-Metallern Panzerballett wurden absolut hochqualifizierte Nachfolger gefunden. Die Bühne mit einem übergroßen Akroasis-Backdrop dekoriert, traten die vier Musiker wie gewohnt ganz in Schwarz auf die Bühne. Die Optik spielt bei Obscura schon immer eine große Rolle im Gesamtbild. Los ging’s mit ‚Ten Sepiroth‘ vom neuen Album „Akorasis“, das mit genau einem derjenigen ruhigen Elemente beginnt, die das Vorgängeralbum „Omnivium“ so groß gemacht hatten. Insgesamt gibt es diese Momente auf „Akroasis“ weniger, so auch beim Auftakt, der nach 5 Sekunden direkt Vollgas gibt.

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Trotz der tendenziell härteren Ausrichtung sind Obscura noch immer Obscura. Tiefste Keller-Growls, die Kummerer in den letzten Jahren auch bei der Death-Tribute Band „Death To All“ einsetzte, sind nur ein typisches Element. Daneben natürlich die Gleichwertigkeit aller Instrumente. ‚Ocean Gateways‘ beispielsweise zeigt die exzellenten Musiker gleichauf, egal ob Lanser, Lausenitzer oder Trujillo; Kummerer steht ohnehin in der ersten Reihe. Jedes Instrument ist herauszuhören, jeder trägt seinen Teil zum kompletten Bild bei. Ein großer Unterschied zu Revocation, wo die (geniale) Gitarre nochmals besonders heraussticht. Beim Titelsong kann Trujillo besonders reüssieren. Der Mann, der bei den Aufnahmen zum Album noch nicht dabei war, hat die herausfordernden Soli drauf – es ist eine wahre Freude ihm zuzusehen und zu hören. Mit dem großartig stimmungsvollen ‚Sermon Of The Seven Suns‘ und dem weniger technischen ‚Ode To The Sun‘ folgen zwei Stücke auf der Setliste, die die Vielseitigkeit von Obscura zeigen. Das Publikum zeigt sich mehr beeindruckt als ekstatisch, aber natürlich sieht man im vorderen Bereich des Saals Haare fliegen. Mit ‚Incarnated‘ und der Zugabe ‚Centric Flow‘ vom 2009er Album „Cosmogenesis“ endet der sehr gelungene Auftritt von Obscura nach rund 75 Minuten für den einen oder anderen 20 Minuten zu früh aber sehr zufriedenstellend. Was für eine exzellente Zusammenstellung von Bands!

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