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Nocturnals

Stillborn waren schon immer etwas anders als ihre Kollegen. Die ihnen zueigene Mixtur aus Doom Metal und traditionellem Death/Gothic Rock war 1989 auf dem Debüt „Necrospirituals“ ungewöhnlich, und das ist sie auch heute noch. Denn Stillborn haben mit der Definition von Gothic Metal, wie sie in den 1990ern entstanden ist, überhaupt nix zu tun. Dies hier ist eine interessante Alternativwelt, in der nicht Pete Steele oder Paradise Lost mit ihrer Begeisterung für Andrew Eldritch den Karren losgetreten haben, sondern, sagen wir mal, Leif Edling mit Christian Death zusammengearbeitet hat.

„Nocturnals“ ist trotz der bleischweren Metalriffs in bester Stillborn-Tradition ein Album zwischen allen Stühlen geworden. Die musikalisch betrachtet relativ simplen Kompositionen dürften Doom-Metallern ein wenig zu simpel sein, und Samthemd-TrägerInnen wird der sabbathmäßig schwermetallische Sound misfallen. Und daß sich Sänger Kari Hokkanen heuer bei einigen Songs an rauem, blackmetallisch gemeintem, aber eher nach Katzengewölle tönenendem Evil-Gebelle versucht, kann man ganz schlicht generell als ein wenig doof bezeichnen. Glücklicherweise setzt er dies nur in einigen wenigen Momenten ein, seine typischen, theatralisch-tiefen Vocals dominieren Stillborn weiterhin. Allerdings gibt es bei „Nocturnals“ einen ganz anderen Haken. Die Songs sind nämlich durch ihre Simplizität zwar höchst eingängig, wie aber so oft, beginnen ultraeingängige Sachen relativ schnell ihren Reiz zu verlieren. So entwickeln nach dem dritten Hören bereits einige der Songs ihre Längen, und da das Album in sich auch kaum Abwechslung enthält, hat man sich relativ schnell an den Songs sattgehört. Selbst das etwas flottere ‚Anathema‘ gegen Ende der Scheibe reißt das nicht mehr heraus – vor allem, weil Stillborn damit dann doch in die kitschige Abgründe von Crematory und Theatre Of Tragedy herabsteigen. Es fehlt nur noch die elfenhafte Frauenstimme, und wir wären für einen Songs wieder im Jahr 1997…

Immerhin, trotz dieser Ausnahme klingen Stillborn auch über dreißig Jahre nach Bandgründung definitiv nach wie vor höchst originell und, ja, unverwechselbar. Das gibt schon wieder einen Sympathiebonus, und auch das völlige Fehlen von Stoner-Riffs auf einem 2017er Doom-Album weiß der Verfasser zu schätzen. Da auch die Produktion schön oldschoolig und mit viel Undergroundflair ausgestattet ist, sei sowohl offenen Doomern als auch toleranten Batcave-Nostalgikern eine Hörprobe empfohlen.

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