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Night Of The Prog Festival 2017 – Überraschungen am dritten Tag

akewstag.jpg „Der Sonntag wird eröffnet mit A Kew’s Tag, Die junge Band aus Köln hatte nach eigenen Worten einen der kürzesten Anfahrtswege, spielt dafür aber „umso längere Songs“. Das ist auf einem Progfest sicher noch kein Alleinstellungsmerkmal, interessanter wird es da schon bei der Instrumentierung, beschränken sich die Musiker doch überwiegend auf akustische Instrumente.

Der Bandname ist dann auch eine Verballhornung des Wortes „Akustik“. Akustik-Prog mit einer prägnanten Stimme, viel Abwechslung und tatsächlich sehr langen Songs: Diese Mischung gefällt dem Publikum und sorgt schon zur Mittagszeit für viel Applaus. Diese Band darf man getrost auf dem Schirm behalten.

Die nächste Überraschung folgt sogleich. Spätestens seit im letzten Sommer die Gens De La Lune für ein unvergleichliches Konzerterlebnis auf der Loreley gesorgt haben, wissen wir, dass wir uns ganz besonders auf französische Gäste freuen dürfen. Die Progszene in Frankreich hält jede Menge Überraschungen parat: So auch Franck Carducci, der heute mit seiner Band angereist ist. Er hat sich dem symphonischen Prog verschrieben, und schon zur Konzerteröffnung dröhnen Orchester und Schlachtenlärm als Intro aus den Lautsprechern. Was wie die klischeebehaftete Einleitung einer Powermetal-Band klingt, entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der spannendsten und überraschendsten Acts des ganzen Festivals. Wir müssen gestehen, dass uns der Name Franck Carducci bisher leider überhaupt nichts sagte. Das soll sich jetzt ändern. Der französische Multiinstrumentalist hat schon für Steve Hackett Konzerte eröffnet, und im Gegenzug war der Ex-Genesis– Gitarrist als Gastmusiker beim letzten Album Carduccis mit an Bord.

franck_carducci.jpg „Der englisch singende Franzose sorgt nicht nur musikalisch für viel Abwechslung, wenn Gitarrenriffs und verspielte Keyboard-Parts unter anderem auf die elektronische Klänge des Theremins oder ein australisches Didgeridoo treffen. Zum Song ‚Alice’s Eerie Dream‘ erscheint die Sängerin und Tänzerin Mary Reynaud auf der Bühne, um als Alice aus dem Wunderland die Musiker zu umgarnen. Später darf sie dann im Pailletten-Kleid und mit bunten Bändern für orientalischen Flair sorgen. Am Ende des Sets baut der sympathische Franzose noch Pink Floyds Eclipsed mit ein und sorgt damit für zufriedene Gesichter überall. Kaum sind die letzten Töne verklungen, machen wir uns auf den Weg zum Merch-Stand, um noch eine CD dieser außergewöhnlichen Band zu ergattern.

Seven Impale aus Norwegen können da mit ihrer Bühnenshow nicht mithalten, liefern aber ebenfalls äußerst spannende Musik ab. Das Sextett experimentiert mit jazzigen Klängen, Hammond Orgel und das dominante Saxophon sorgen für fast schon avantgardistische Momente. Der leicht schräg-düstere Prog-Jazz würde perfekt in einen bizarr-düsteren David Lynch Film passen. Ein gelungener Act, der leider etwas ungünstig im Timeslot direkt hinter Publikumsliebling Franck Carducci platziert ist.

gong.jpg „Als nächstes haben sich Gong angesagt. Bei Gong kann man sich nie ganz sicher sein, in welcher Besetzung die Band jetzt auf der Bühne stehen wird. Derzeit hat Knifeworld Mastermind Kavus Torabi das Kommando über Gong, und musikalisch geht es teils zurück zur spacigen Phase der Band, teils erinnert das Ganze auch tatsächlich an Knifeworld. Energiebündel Torabi schwebt mehr, als dass er auf der Bühne stehen würde, und gerne springt er auch mal ein wenig herum. „We are the european band Gong!“ ruft er zum Auftakt in die Menge. Psychedelisch, spiritistisch, extravagant und ganz und gar mitreißend überzeugt Torabi mit „seiner“ Gong-Version auf ganzer Linie. Songs wie ‚Kapital‘, ‚Rejoice (I’m dead)‘ oder auch ‚Insert Yr Own Prophecy‘ vom aktuellen Album werden von der Menge frenetisch aufgenommen. Es ist beinahe, als würde die ganze Loreley in einen sphärischen Rauschzustand versetzt.

Chris_Thompson2.jpgChris Thompson, bekannt geworden durch Manfred Mann’s Earth Band, bereitet heute das Abendprogramm vor. Angekündigt ist eine extra für heute zusammengestellte Setlist aus den „Prog-Years“ mit Manfred Mann. Der in Neuseeland aufgewachsene Brite wird von der Sängerin Elizabeth Miller unterstützt und hat nebenher ein paar kleine Anekdoten parat und liefert eine solide Show ab, auch wenn er stimmlich nicht mehr ganz an alte Zeit heran reicht und bei vielen Songs die progressiven Elemente doch eher verhalten im Hintergrund bleiben. Natürlich kommt der Sänger und Gitarrist auch nicht darum herum, die großen Hits wie ‚Blinded By The Light‘, ‚Davy’s On The Road Again‘, ‚Mighty Quinn‘ oder ‚For You‘ zu spielen, die jeder kennt und auch lautstark mitsingt, aber eben doch eher geradliniger Classic Rock sind.

Marillion1.jpg „Sei’s drum, dennoch bleibt unterm Strich eine packende Performance. Zum Finale des Sonntags und damit als letzte Band des diesjährigen Night Of The Prog Festivals waren ursprünglich einmal die amerikanischen Urgesteine von Kansas geplant gewesen, die aber einige ochen vor der Veranstaltung aus angeblichen „Sicherheitsrisiken“ wegen einer amerikanischen Reisewarnung für Europa (von vor zwei Jahren) Angst bekommen und die komplette Tour abgesagt haben. Wie auch immer, ein Ersatz war sehr schnell gefunden, und so darf sich die Fangemeinde der Loreley heute wieder einmal über Marillion freuen, die zuletzt 2014 auf dem Festival gespielt haben.

Passend dazu beginnt Frontmann Steve Hogarth seine Ansage dann auch mit „We are not Kansas!“ und lässt ein leicht hämisches „Land of the free, home of the brave!“ fallen. Im Gegensatz zu Kansas waren Marillion mutig genug, sich wieder einmal zur Loreley zu trauen, und sie sind heute auch mutig genug, ein außergewöhnliches Set zu spielen, das den Schwerpunkt auf das letzte Album F.E.A.R. legt und die üblichen Radiohits ‚Kayleigh‘ und ‚Lavender‘ ganz auslässt. Richtig so.

Marillion konzentrieren sich auf epische Longtracks wie ‚El Dorado‘, ‚The Leavers‘, ‚The New Kings‘ oder auch ‚Gaza‘. Dabei zeigt sich die Band ist bester Spiellaune, und Steve Hogarth ist agil wie immer und sucht auf dem Laufsteg mehrfach den Kontakt mit seinen Fans. Gitarrenmaestro Steve Rothery bekommt Platz für seine Soli, und Bassmann Pete Trewavas hat ohnehin immer gute Laune. Die gute Stimmung der Band schwappt schnell inst Publikum über, auch wenn die musikalischen Themen oft düster sind wie beispielsweise im Longtrack ‚Gaza‘. Der Sound ist den ganzen Auftritt über sehr gut, vermutlich der beste des ganzen Festivals.

Marillion2.jpg „Nach der Zugabe ‚This Strange Engine‘ verebbt der Applaus nur langsam. Damit endet das 12. Night Of The Prog Festival, das wieder einmal tausende von Prog-Fans aus der ganzen Welt (wirklich!) zu einem friedlichen langen Wochenende vereint hat. Das Wetter war nicht ganz so gut wie in den vorherigen Jahren, aber bis auf den Regenguss am Freitag dann doch trocken mit genügend Sonne, um auch entspannt im Liegestuhl die Musik genießen zu können, wie es viele getan haben. Das Festival hat sich in den vergangenen Jahren seinen sehr guten Ruf hart erarbeitet und gilt inzwischen als feste Institution in der Szene. Die Auswahl der angebotenen Speisen auf dem Gelände wurde zudem stetig verbessert, auch wenn immer noch ein paar Stehtische vor den Imbißständen fehlen, um dort gemütlich essen zu können.

Mit den grandiosen Auftritten von Mike Portnoy mit Haken und Eric Gillette sowie Yes hat das Festival auf dieses Jahr die Meßlatte für den nächsten Sommer wieder sehr hoch gehängt, aber wir sind uns jetzt schon sicher, dass die Night Of The Prog auch 2018 ein absolutes Highlight werden wird und die Macher es wieder schaffen werden, ihren Fans und Besuchern ein ganz besonderes Erlebnis zu bieten. Wir freuen uns jedenfalls heute schon.

Die Fotogalerie mit den Highlights des dritten Tages findet ihr auf unserer Facebook Seite

Hier geht’s zum ersten Festivaltag

Und hier zum zweiten

Bericht und Fotos: Michael Buch

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