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MG

Legt einer von Rang und Namen zum Schuss an, ist Vorsicht angesagt. Schließlich könnte man ein Qualitätsmerkmal verkannt haben, wenn das Ergebnis dann doch nicht so folgenreich einschlägt wie die Namensnennung. Vielleicht verhält es sich aber auch genau andersherum und man ist versucht, dem prominenten Prüfling Verdienste anzurechnen, die dieser in Wirklichkeit gar nicht erbracht hat.

Aktueller Risikokünstler ist Martin Gore. Der Depeche Mode-Maître veröffentlicht – namentlich angelehnt an VCMG, das gemeinsame Projekt mit dem Ex-Kollegen Vince Clarke – als und mit ‚MG‚ ein Soloalbum, verzichtet darauf bewusst auf Gesang und lässt allerlei Zweifel an seinem Orientierungssinn. Die Motivation, die ‚MG‚ zugrunde liegt, ist – wenn überhaupt – nur vage auszumachen. Ist das hier der Oberflächenfilm des nächsten DM-Geniestreichs? Die Nachgeburt des letzten (der im Übrigen wann genau gewesen sein soll ..?), Mustermaterial für die Baustoffmesse seiner Zunft oder etwa doch bloß Verschnitt? Wird man hier am Ende gar auf den Arm genommen?

Fest steht, dass der Komponist ein ausgeprägtes generatives Verhalten an den Tag legt: Mindestens fünf Tage die Woche verbringt Gore eigenen Angaben zufolge im Studio. Zeit genug, viele Tracks abzupacken – und eigentlich auch Zeit genug, sorgfältiger vorzugehen. Was Gore da seinen Modularsynthesizern entsteigen lässt, ist zwar klug produziert und im Abgang gern mal gut fett, zieht aber lauwarm und spannungsfrei an einem vorbei. Und wenn dann doch mal ein Fünkchen aufblitzt, verglimmt es noch vorm Überspringen. Womöglich hätte aus dieser hastig gepackten Sammelkiste technoider bis krautiger Geistesblitze etwas Ordentliches erwachsen können, hätte Gore sich besonnen und sie noch ein wenig bei sich behalten. So aber dümpelt ‚MG‚ nach recht verheißungsvollem Start leidlich unentschieden seiner Wege und erzeugt dabei bestenfalls die Spannung eines Dungeon-Levels im „Super Mario Land“. Doch auch diese Spuren von Entwicklung stellen sich schnell als Leitern, Aufzüge und Wendeltreppen ins elektronische Nirgendwo heraus. Wenn doch ‚MG‚ zumindest nervig wäre! Oder größenwahnsinnig. Doch nicht einmal diesen Gefallen tut uns der mittlerweile 53-Jährige: ‚MG‚ hat bei alledem auch noch Klasse. Oder tut zumindest so.

Bitte nicht falsch verstehen: Gesanglosigkeit darf sich ein Martin Gore erlauben. Gedankenlosigkeit hingegen nicht. Mit dem Hinweis, er habe das Ganze „filmisch“ halten wollen, macht er es sich entschieden zu einfach. Denn erstens gibt es keinen Film, zweitens würde auch Untermalung gelernt sein wollen und drittens ist der Raumfahrtsimulator für den Privatgebrauch noch nicht auf dem Markt. Und nun Abmarsch zurück ins Studio, oder es setzt was!

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