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Lost On The Road To Eternity

Man muss es Tony Clarkin und Bob Catley zugutehalten – sie werden nicht müde. Alle zwei Jahre steht ein neues Magnum-Album in den Läden, die Jahre dazwischen jeweils eine Compilation oder ein Livealbum. So bindet man die Fans geschäftlich gesehen höchst vorbildlich und effektiv. Aber man kann der Band eigentlich nicht mal einen zynischen Plot vorwerfen. Denn die Fans der Band bekommen im Prinzip auch mit jedem Album exakt das, was sie wollen: den Magnum-Sound, der seit „Princess Alice And The Broken Arrow“ unveränderbar in Stein gemeisselt ist, dazu ein feines Artwork von Rodney Matthews.

Nun, als weniger romantisch verklärter Hörer könnte man freilich auch mäkeln, daß da der Hund begraben liegt: Magnum waren in den ersten zwanzig Jahren ihrer Bandhistory nämlich eine dieser Bands, die angstfrei und höchst erfolgreich auf jedem Album etwas Neues ausprobierten. Alben wie „II“, „Chase The Dragon“, „On A Storyteller’s Night“, „Vigilante“ und das unterschätzte „Sleepwalking“ waren eben auch deshalb so interessant, weil sie allesamt vollkommen unterschiedlich klangen – auch, weil die Band so unterschiedliche Produzenten wie Kit Woolven (Cradle Of Filth), Jeff Glixman (Kansas) oder Queen-Drummer Roger Taylor einsetzte. Dieses Zeiten sind aber offenkundig vorbei. Doch das ist dem im Schnitt hochkonservativen Fan auch recht schnuppe, da mit wenigen Ausnahmen die Qualität der Songs auch auf jedem Album stimmt – auch wenn sich ein echter Klassiker, der mit ‚How Far Jerusalem‘, ‚Sacred Hour‘ oder ‚Days Of No Trust‘ gleichziehen kann, aus den letzten Alben nicht entwickelt hat. Das lag zugegebenermaßen aber auch daran, daß Anwärter wie ‚Brand New Morning‘ oder ‚All My Bridges‘ für gewöhnlich spätestens nach zwei Touren wieder aus der – ebenfalls seit Jahren höchst konservativen – Setlist geworfen wurde. Da es also im Hause Magnum keinerlei Experimente oder Veränderungen mehr gibt, entscheidet alleine die Menge an Hits, die Tony Clarkin einfallen, ob denn ein Klassealbum wie „On The 13th Day“ oder ein eher ödes Stück Selbstkopie wie das letzte Album „Sacred Blood, Divine Lies“ herauskommt. Und zur Freude Aller sind das diesmal recht viele.

Der Opener ‚Peaches And Cream‘ führt den Hörer in die amerikanisch beeinflusste „Goodnight L.A.“-Ära – ein knackiger Rocker mit eingängigem Refrain, der erfreulich frisch klingt. In die selbe Kante schlägt die Singleauskopplung ‚Without Love‘, ein ziemlicher Ohrwurm, der in der Albumversion deutlich keyboardlastiger und weniger oberflächlich klingt als in der gekürzten und gitarrenorientierten Singleversion. Überhaupt, Tony Clarkin hat sich diesmal als Gitarrist erfreulich zurückgenommen, wo auf dem Vorgänger noch Vieles mit Riffs zugekleistert war, darf nun Neu-Keyboarder Rick Benton zusammen mit Sänger Bob Catley den Gesamtsound dominieren. Catley geniesst den Freiraum in der Musik hörbar, wo er auf dem Vorgänger oft etwas gepresst und angestrengt klang (der Mann ist schließlich über 70!), klingt er auf „Lost On The Road To Eternity“ durchweg so entspannt, gefühlvoll und charismatisch wie in seinen besten Jahren. Auch der zweite Neuzugang, Drummer Lee Morris, zu „Draconian Times“-Zeiten bei Paradise Lost (!) aktiv, kann sich exzellent in Szene setzen. Sein Spiel ist variabler als das von Groovemaschine Harry James (Thunder), aber druckvoller als das von Jim Copley – scheint, als habe die Band endlich einen vollwertigen Ersatz für Mickey Barker gefunden.

Diese Offenheit erlaubt es Clarkin neben den erwähnten Rockern diesmal auch verstärkt die epische Seite des Magnum-Sounds herauszukehren – die meisten Songs bewegen sich um die Sechs-Minuten-Marke, mit dem achtminütigen ‚Welcome To The Cosmic Cabaret‘ und dem Siebenminüter ‚King Of The World‘ sind auch zwei noch ausladendere Kompositionen vorhanden, und speziell letzteres schreit danach, auch in den kommenden Liveset aufgenommen zu werden. Gleiches gilt für das etwas an ‚Freedom Day‘ erinnernde ‚Tell Me What You’ve Got To Say‘ und das mit an den Uroldie ‚Reborn‘ erinnernden Groove ausgestattete ‚Show Me Your Hands‘. Im Titelsong darf Tobias Sammet einen Gastauftritt absolvieren, Revanche für Bob Catleys zahlreiche Beiträge zu den Avantasia-Alben und -Touren. Auch ein echtes Orchester ist auf diversen Songs zu hören – man spürt, daß sich Magnum für „Lost On The Road To Eternity“ enorm Mühe gegeben haben. Schließlich gilt es auch, die Fans zu überzeugen, daß der Abgang von Keyboarder Mark Stanway, der 36 Jahre lang den Bandsound entscheidend mitgeprägt hatte, verkraftet wurde. Das Resultat ist ein Album, das vielleicht nicht ganz an die absoluten Klassiker heranreicht – dafür hört man doch ein paar Selbstzitate zuviel (das Intro von ‚Storm Baby‘ ist beispielsweise ziemlich identisch mit dem von ‚On A Storyteller’s Night‘), aber definitiv zum Besten gehört, was Magnum in den letzten zwanzig Jahren veröffentlicht haben. Als Bonus gibt’s noch 25 Minuten Livemusik von der letzten Tour – der ersten im aktuellen Line-up. Es handelt sich dabei um vier Songs vom letzten Album, die aber offenbar reine Soundboard-Aufnahmen und somit zwar unbedingt genießbar, aber eben doch recht rau tönen. Ungeachtet dessen: Ein starkes Album, das man nicht nur Fans ans Herz legen kann.

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