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Kiasmos

Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen sind nicht bloß Kiasmos, sondern machen’s konsequenterweise auch: Sie stellen sich überkreuz. Fast hätte man ahnen können, dass das nicht gänzlich glücken würde; schon dem Begriff nach fällt Überkreuzstellung doch unter die ungemütlicheren, wenig intuitiven Formen des Zusammenwirkens. Und das nicht nur in der Lyrik, wo Chiasmen zumeist Antithesen syntaktisch ausgestalten. Kennen wir ja noch aus dem Deutschunterricht. Hat daher ‚Kiasmos‘ wenigstens einen handfesten Spannungsbogen? Nein – stattdessen aber ziemlich viele viel zu kleine.

In einem Anflug von Ordnungswahn haben Kiasmos die Tracks ihres gemeinsamen Debüts ausnahmslos mit Verben im Partizip Perfekt betitelt. Was aber mundgerechte Futterhäppchen für die Vorstellungskraft hätten sein können, muss man sich erst passend denken, denn die nur sehr vage Differenziertheit der Stücke untereinander ist kaum mit einzelnen Schlagworten wettzumachen. ‚Held‘, ‚Dragged‘, ‚Burnt‘ – auch die kontrastierendsten Namen – beziehungsweise die minimalelektronischen Kompositionen dahinter – erweisen sich als zu beliebig und untereinander austauschbar. Sie täuschen Substanz, täuschen Vielfalt vor, die auf und mit diesem Album nicht erfahrbar, da zu stark verdünnt ist. Womit das Duo rein begrifflich dem Trance im Grunde alle Ehre macht. Worin sonst sollten die Überlängen der bis zu rund neun Minuten langen Tracks begründet sein als im Erstreben eines Dämmerzustands?

Na also. Kiasmos servieren in acht nur marginal variierenden Darreichungsformen etwas, das sich auf eine bescheidene Menge an Ideen eindampfen ließe, halten sich streng an den Waschzettel, ohne sich Ausfallschritte zu erlauben. Dabei waren es doch immer ebenjene Ausfallschritte, die zumindest Ólafur Arnalds bislang auf Höchstleistung eichten. Ausgerechnet der zeigt sich hier geradezu erschreckend uninspiriert. Mag die Entscheidung gegen ausführlichere kammermusikalische Anbauten auch sehr bewusst getroffen sein: Kiasmos-Album Nummer eins zieht nicht; sein Groove drückt sich an der ihn vom Hörer trennenden dicken Eisschicht die Nase platt. Kiasmos paddeln bis auf einige grimmige, forschere Passagen gegen Ende der Platte in sich selbst vertieft vorüber und lassen ihre HörerInnen so weitestgehend in Frieden. Seelenbalsam geht so, kongenial geht anders.

Was bleibt sind solide, nordisch-nüchterne Texturstreifen und Auslaufbahnen für „echte“ Tracks – siehe das unter der Oberfläche verheißungsvolle, aber bis zuletzt unerfüllt brodelnde ‚Swayed‘ – oder auch standesgemäße Untermalung für die Umbauphasen während der nächsten Tour eines Labelkollegen. Ein zweifellos nettes Gimmick für Diskographietreue (zumal das von Torsten Posselt gestaltete Cover zu den Artworks des Jahres zählen dürfte!) und Freunde des autogenen Trainings, mehr aber mangels Dynamik nicht. Leider.

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