|

Highspeeds

Was macht ein musikalisch begabter Junge mit 21 Jahren? Vielleicht spielt er in einer kleinen Rockband und covert gemeinsam mit seinen alten Schulfreunden Green Day und Co. Oder er versucht, über Videoportale im Internet den einen oder anderen Zuhörer vor den Computern zu beeindrucken, um so das Bisschen Aufmerksamkeit, welche er verdient, für sich zu gewinnen. Vielleicht geht er auch ins Tonstudio und beginnt dort eine Ausbildung. Und vielleicht – wie in meinem Fall – fängt er an, Musik auf Lehramt zu studieren. Aber nur selten und auch nur den Begnadetsten gelingt, was Elliot Moss geschafft hat.

Der New Yorker ist Multi-Instrumentalist und hat es faustdick hinter den Ohren. Zumindest musikalisch. Nicht nur, dass er dieses Jahr bereits auf dem Eaux Claires Festival in Wisconsin neben Persönlichkeiten wie Bon Iver oder Sufjan Stevens auftreten durfte. Sein Debütalbum ‚Highspeeds‘ führte er in Eigenregie. Gesang, Instrumente, Aufnahme, Produktion – fast alles ohne fremde Hilfe. Noch mehr lässt den Zuhörer dann staunen, welche Bandbreite an Genres Moss auffährt. Erst steigt er mit seiner gefühlvollen, zweistimmige Balladen ‚Highspeeds‘ in die gleichnamige Platte ein, danach schlägt der Puls plötzlich doppelt so hoch und er liefert in ‚Big Bad Wolf‘ einen wilden Mix aus sexy-bedrohlichem Gesang, krummen Beat und einer Menge verspielten Elektro- und Gitarrenmotiven. Nur, um darauf mit ‚Slip‘ wieder die Vollbremse einzuziehen, sich mit seiner chilligen Loungemusik zu entspannen und lässig Chet Faker oder James Blake die Hand zu schütteln.

Es folgen pianistische Ragtime-Einwürfe, psychedelische Xylophon-Sounds, Latingrooves mit krassem Elektro-Beat oder aber Synthie-Streicher und dreckige E-Gitarren in einem souligen Reggae verpackt. In ‚About Time‘ entfesselt Moss aus dem ruhigen, pulsierenden Klavier heraus eine düstere Elektrowelle, die sich bedrohlich zum Ende jeder Strophenzeile aufbauscht. So vollzieht sich dieser Kreislauf von Vers zu Vers, unablässig – wie das Meer, welches ohne Ende gegen die Brandung pirscht. In seiner Vielfalt erkennt man Eindrücke von AWOLNATION, Coldplay, Alt-J oder Foster The People.

Und natürlich ist auch der Vergleich zu James Blake oder Chet Faker legitim. Aber er imitiert oder kopiert sie glücklicherweise nicht, dafür ist er im Vergleich zu vielseitig. Dennoch hat er einige Facetten der beiden in seine Musik miteinfließen lassen. Besonders in ‚Slip‘ – mit 20 Millionen Klicks im Internet sein bekanntester Track – oder aber der letzte Titel ‚Best Light‘, der sicherlich in jeder Playlist vom Elektro-DJ Platz finden wird, fährt er ganz klar die Neo-Soul-Linie der beiden Pioniere aus England und Australien. Und selbst, wenn nicht jeder Song des Albums ein Volltreffer war – Amerika hat definitiv seinen neuen Soulstar am Himmel.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar