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Freak

Die Geschichte von Hanoi Jens erscheint wahrlich märchenhaft: Es war einmal ein junger Musik-Nerd aus dem ostdeutschen Städtchen Zwickau. Er spielte in mehreren halbguten, recht unerfolgreichen Bands, ehe er sich dazu entschloss, sich in seinem Proberaum zu verbarikadieren und jede Menge Hits in Eigenregie aufzunehmen. Er tüftelte an Sounds, verschachtelte dutzende Gitarrenspuren und malträtierte das Schlagzeug so lang, bis er tatsächlich HITS in den Händen hielt.

In diesem Bewusstsein drehte er ebenfalls im abgeranzten Proberaum ein Video zu einem Hitsong und schickte diesen von Zwickau ins ferne New York zu einem aufstrebenden Plattenlabel namens Captured Tracks. Auf wundersame Weise muss dort jemand versehentlich den ‚Play‘- statt den ‚Lösch‘-Button gedrückt haben und so kam es, dass die Amerikaner das Album ‚Year of Panic‘, damals noch unter dem Namen ‚Hanoi Janes‘ veröffentlichten.

Was folgte, war eine Welle der Liebe für Jens! Er wurde auf Pitchfork gehyped, erhielt Angebote seine HITS an die Werbung oder die Computerspielindustrie zu verkaufen. Schließlich wurde er sogar aufs renommierte Primavera-Festival nach Barcelona eingeladen. Kurzerhand schnappte er sich dafür einen alten Tattergreis am Bass und einen bärtigen Hafenarbeiter für die Drums, jettete nach Katalonien, lieferte amtlich ab und kehrte auf der Schwelle zum Superstar zurück in die Heimat.

Wofür sich andere Musiker wahrscheinlich eine Hand abhacken würden, war jedoch nichts für Jens. Der sagte überraschend alle Termine ab, zog sich zurück und blieb seitdem musikalisch stumm. 2010 trug sich all dies zu und nach der langen Zeit der Ruhe, hat sich Jens, der eigentlich Oliver Scharf heißt, nun neu erfunden. Wahrscheinlich geschah es beim Dartsspielen, beim Löten einer Uhr, beim Skat, beim Ziggi-Smökern, beim Chillen an einem Beach der Côte d’Azur oder während eines Brauereifests, als Jens sich entschied, Hanoi Janes aufzugeben und als Hanoi Jens neu geboren zu werden. Fortan, so der Plan, würde er auf deutsch singen.

Abermals verkroch er sich monatelang in die Hitschmiede und bastelte an seinem großen Comeback. Das steht nun bereit, der rote Teppich ist ausgerollt. ‚Freak‘ heißt das Werk und beginnt, wie sollte es beim Jensman anders sein, mit dem Titel ‚Partyende‘. ‚Und ich wusste wie die Party endet / Du warst weg und es hatte Gründe / Zum Beispiel mein Gesicht und wie ich rede und wie ich mich anzieh und wie ich mich bewege‘. Äußerst depressive Texte zu tanzbaren, durchgeknallten Gitarrenriffen sind ein Kniff, den schon Popmusiker der 80er Jahre aufs Vortrefflichste beherrschten.

‚Freak‘ ist ein vielschichtiges, detailversessenes Tanz-Schranz-Album geworden, das vor Ideen überquillt. Ausufernde Beats duellieren sich mit Gitarrensoli und Synthie-Schwüngen. Jens beweist mit der Platte, dass er immer noch jede Menge Pepp und Hummeln im Hintern hat. Zum Experiment mit den deutschen Texten lässt sich sagen, dass es gelungen ist. Trotz der sentimentalen Stimmung, kommt nicht das Gefühl auf, sich hier fremdschämen zu müssen. Der Weg zum Ruhm kann also aufs Neue beginnen. Bleibt nur noch festzuhalten: Der Jens ist und bleibt eben ein Tausendsassa!

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