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Euroblast Festival 2017 – Von Ninjas und Hirschen


Am Samstag ist es mittags schon merklich voller als am Vortag zur selben Zeit auf dem Gelände der Kölner Essigfabrik. Kein Wunder, erwarten uns doch auch heute wieder hochkarätige Bands in familiärer Atmosphäre. Leider meint es der Wettergott heute nicht ganz so gut mit den Djentlemen, immer wieder regnet es. Gut, dass das Festival indoor stattfindet, wenngleich man den Hinterhof durchqueren muss, um von der Hauptbühne hinab in die Katakomben zum zweiten (weitaus kleineren) Areal zu gelangen.

Driven_By_Entropy.jpg „Weiter geht es heute mit der jungen Band Driven By Entropy in besagtem Keller, wo sich schon eine beachtliche Schar von Zuschauern für das hessische Quintett versammelt hat, das mit den genre-typischen tiefgestimmten Gitarren und brachialen Gutturalgesang eine solide Show hinlegt und den zweiten Festivaltag würdig eröffnet, wobei die Jungs immer wieder Assoziationen an die Genre-Urväter Meshugga wecken, was ja keine schlechte Sache ist.

Auf der Hauptbühne legen unmittelbar danach Atlantis Chronicles aus Paris los, die technisch komplexen Death-Metal zum Besten geben und eine solide Show abliefern. Im Keller geht es weiter mit brachialer Knüppelei im Doppelpack: Zuerst Call The Mothership aus Österreich, die es schaffen, neben aller Agressivität in einer melodisch-ruhigen Passage das Publikum zum Lichterschwenken zu animieren. Danach legen die New Yorker von Circle Of Suns los und blasen den Keller mit einer Welle aus brachialem Lärm mal so richtig durch. Geschwindigkeit, unglaubliche Lautstärke und Gitarrengefrickel zum Fingerverknoten zeichnen die Amis hier aus. Dazwischen steht oben wieder einmal eine australische Band auf der Bühne: Hemina lassen es etwas ruhiger angehen und überzeugen vollends mit klassischem Prog und mehrstimmigen Gesangspassagen, bevor Bear aus Belgien die Fans so richtig durchschüttelt und für die ersten Crowdsurfer des Festivals sorgt.

bear.jpg „Aufgrund von Interviews geht es für Whiskey-Soda an diesem Samstag dann erst mit Exivious weiter, die zum dritten Mal beim Euroblast dabei sind und – wie zuvor schon Textures – ihre Auflösung bekannt gegeben haben. Ist aber nicht so wild, denn die Musiker werden in gleicher Besetzung unter dem neuen Namen Our Ocean weitermachen. Wie sich das stylistisch dann von Excivious unterscheiden wird, bleibt abzuwarten. Heute gibt es jedenfalls instrumentalen Prog auf die Ohren, der präzise und voller spannender Akzente dargeboten wird, so dass hier niemand den Gesang vermisst. Jazzige Passagen treffen auf metallische Riffs und verschmelzen mit den hervorstechenden Bassläufen zu einem stimmigen Ganzen und damit zu einem der Highlights des frühen Abends.

Car_Bomb.jpg „Im Keller toben danach die Israelis von Dukatalon über die kleine Bühne und sorgen mit brachialem Sludge für passende Atmosphäre. Danach geht es oben weiter mit Car Bomb aus den USA, und diese Bombe zerlegt die Halle mal eben locker mit krachendem Hardcore, der von der Menge frenetisch abgefeiert wird. Auch hier gibt es wieder Crowdsurfer. Nach dieser knüppelharten Vollgas-Stunde kann man im Keller noch etwas entspannen mit den Industrial-Grooves von The Interbeing aus Dänemark. Das Quintett überzeugt auf ganzer Linie.

twelve_foot_ninja.jpg „Der Headliner-Slot des zweiten Abends gehört der australischen Band Twelve Foot Ninja, die in ihren Songs immer wieder auf den namensgebenden Ninja Bezug nimmt, der sich je nach Belieben auf eben bis zu zwölf Fuß Körpergröße aufblähen kann. Die Musik der Australier ist hingegen weder aufgebläht noch dem Größenwahn verfallen, sondern äußerst griffig und dennoch hochkomplex. Die Australier um Frontmann Kin Etik haben zwar leider ihre Ninja-Kostüme zu Hause oder im Tourbus gelassen, aber das tut der Stimmung im Publikum und auf der Bühne keinen Abbruch. Es wird getanzt, gemosht, gesprungen, und schnell bilden sich auch Circle- und Moshpits. Die Band legt eine mitreissende Show hin, die Texte werden von den Fans überwiegend mitgesungen, und das abschließende ‚One Hand Killing‘ setzt mit den ‚Are you busy?‘-Rufen einen markanten und im Ohr bleibenden Höhepunkt. Der Samstag endet mit einer Open-Jam-Session und macht große Lust auf den dritten Euroblast-Tag, zu dem wir nach verdienter Ruhe pünktlich am Sonntag Mittag wieder auf der Matte stehen. Da spielt dann übrigens auch das Wetter wieder mit, so dass viele Fans in der Chill-Out-Area im Hinterhof auf Liegestühlen die Sonne genießen können.

Ghost_Iris.jpg „Und es geht gleich exotisch los: Im Programm wurde der erste Slot noch mit „to be announced“ angekündigt. Dahinter verbirgt sich Benjamin Lechuga aus Chile, der mit seiner Band instrumentalen Prog liefert, wobei zwischen die Gitarrenwände immer wieder elektronische Ambient-Sounds geworfen werden. Das Ergebnis klingt überraschend gut und war für uns eines der Highlights des Sonntags. Einige instrumentale Songs machen auch das Programm von Metasphere aus, die zwischendurch dann mit screamigen Vocals aber auch Gesangsparts einstreuen und in der Haupthalle für eine nette Eröffnung des Tagesprogramms sorgen. Viel lauter, brachialer und vor allen Dingen bewegungsintensiver geht es dann unten mit Atlin weiter. Die Bonner Truppe sorgt mit knackigem Core für zufriedene Gesichter. Die beiden Sänger brauchen dabei eigentlich gar keine Bühne, sind sie die meiste Zeit ohnehin im Publikum unterwegs und verwandelt die Katakomben in einen heißen Hexenkessel. Auch der Sänger der dänischen Band Ghost Iris ist sehr beweglich und rennt ständig hin und her, freilich ohne dabei die Bühne zu verlassen. Aber hier wird nicht nur viel gespost und gerannt, die Dänen können auch musikalisch mit harten Riffs und kraftvollen Screams überzeugen.

A_Kews_Tag.jpgA Kew’s Tag haben uns im Sommer schon beim Night Of The Prog Festival absolut begeistern können. Dieses Festival sind die vier Jungs die einzige Band, die eine Akustikgitarre im Gepäck hat, und auch sonst hebt sich die Musik aus der Masse heraus. Der Bandname ist dann auch eine Verballhornung des Wortes „Akustik“. Mit ihrer etwas anderen Musik und dem sympathischen Auftreten sammeln A Kew’s Tag auch auf dem Euroblast viele Pluspunkte und sind, wie man immer wieder heraushört, auch lange nach dem Gig noch Gesprächsthema unter den Fans. Auf einem Technical-Death-Metal-Festival mit der Akustikgitarre als Sieger von der Bühne zu gehen, das muss man auch erst einmal schaffen. Respekt!

Oben stehen nun Voices From The Fuselage auf dem Programm, die neue Band von Ashe O’Hara (ex TesseracT). Hier wird viel Wert auf knackig-krachende Gitarrenriffs und melodische Soli gelegt, wobei die Vocals eher poppig herüber kommen. Gerade diese besagten Soli laden zum Verweilen und Mitschwofen ein und sorgen für eine spannungsgeladene Wohlfühl-Atmosphäre. Die Band ist gerade dabei, ihr zweites Album aufzunehmen und überzeugt mit cleanem Gesang und fast sphärischen Klängen: Melodische Bögen spannen sich zu lyrischen, leicht melancholischen Passagen mit symphonisch-proggischem Einschlag.

nameless_day_ritual.jpg „Das Niveau bleibt ähnlich hoch, stehen im Keller doch nun Second Horizon auf der Bühne, die so hochkarätigen instrumentalen Progmetal spielen, dass es bald mehr als nur überfüllt in der engen Katakombe ist. Deutlich leerer ist es leider später dort bei Nameless Day Ritual aus Bulgarien, die immer wieder mit technischen Problemen bei den In-Ear-Monitoren zu kämpfen haben und mehrfach um Nachjustage bitten müssen. Schade, denn der Auftritt als solcher ist sehr solide, und Frontfrau Asya Katrandzhieva und ihre Kollegen präsentieren Songs ihrer EP „Birth“, wobei sich melodische Parts gekonnt mit komplexer Polyrhythmik abwechseln. Irgendwo zwischen Metalcore, Prog-Metal und Industrial findet der Gig viel Zuspruch.

Voher bringen Kadinja aus Paris die obere Halle wieder einmal zum Schwanken. Die Franzosen haben schon 2015 auf dem Festival gespielt, damals noch im Newcomer-Keller. Sie haben sich prächtig weiterentwickelt und dominieren heute die große Bühne mit viel Präsenz und einer toll aufeinander abgestimmten Show. Musikalisch schlagen sie in eine ähnliche Kerbe wie Voices From The Fuselage und verbinden breite Riffs mit melodischen Passagen und klarem Gesang. Sie haben inzwischen viele Fans gefunden, die ihre Freude über den Gig lautstark äußern. Es ist immer wieder spannend, die Entwicklung junger Bands über die Jahre hinweg zu verfolgen, und Kadinja haben sich wirklich gemacht. Bravo!

Ebenfalls vor zwei Jahren mit dabei waren auch The Hirsch Effekt, und das Trio liefert auch heute wieder gewohnt-geniale Qualität ab. Vertrackte komplexe Songstrukturen, hoch-aggressive Screams, brachiales Geknüppele der Drums, alles aber von einem erkennbaren roten Faden zusammengehalten und mit einer gradezu verbotenen Lässigkeit präsentiert, ergibt das eine knappe Dreiviertelstunde höchster Genialität, gepaart mit unbändiger Spielfreude. Aufgrund von Interviews verpassen wir Eschar und den Anfang von Sleepmakeswaves, einer weiteren australischen Band, die mit instrumentalem Post-Rock gekonnte Akzente setzt und auch beim Publikum sehr gut ankommmt.

devin_townsend.jpg „Noch einmal geht es hinab in den Keller zu Make Me A Donut aus der Schweiz, die noch einmal so richtig einheizen, bevor die Hauptbühne dem heutigen Headliner Devin Townsend gehört. Der sympathische Kanadier beginnt sein 70-Minuten-Set mit ‚Rejoice‘ und streut auf seine typische Art und Weise immer wieder kleine Ansprachen und Nerd-Zitate in die Setlist, die unter anderem aus den Nummern ‚Stormbending‘, ‚Hyperdrive‘ und ‚Kingdom‘ besteht und episch mit ‚Higher‘ als großes zehnminütiges Konzert- und Festival-Finale endet. Zuvor plaudert Devin mal kurz über Puppen, Geschlechtsteile und treibt seine Späße mit dem Publikum. Aber auch musikalisch kann der Kanadier (natürlich) auf der ganzen Ebene überzeugen und bringt die Fans noch einmal so richtig schön auf höchste Betriebstemperatur. Wo es der Platz noch zulässt, wird getanzt und gemosht, Luftballone fliegen durch die Luft, fehlt nur noch das Konfetti zum perfekten Festivalabschluß.

Es bleibt wieder einmal festzustellen, dass das Euroblast Festival zu den besten und vor allen Dingen familiärsten Veranstaltungen seiner Art gehört. Als Besucher fühlt man sich hier einfach sehr gut aufgehoben und rundum versorgt. Daher an dieser Stelle auch noch einmal ein Dank an alle Helfer/innen vor und hinter den Kulissen und die ganze „Euroblast Familiy“. Gerade auch wir Presseleute und Fotografen wurden wieder hervorragend betreut, was nicht auf alle Festivals so selbstverständlich ist. Und zu unseren Eingangsfragen: Die Nummer 13 war definitiv eine Glückszahl, lief doch von einigen kleinen technischen Pannen, die aber ganz normal sind, alles bestens ab. Djentlemen sind in der Tat sehr zuvorkommend, denn bei aller Agressivität der vertretenen Musik, hat man selten zuvor freundlichere und hilfsbereitere Festivalgänger erlebt. Hier ist wirklich jeder für jeden da, nimmt Rücksicht und hält auch mal die Türen auf. Wildfremde geben einem von ihrem Essen ab oder spendieren ein Bier. Wir haben die Frage nach der Gitarre mit mehr als sechs Saiten verschiedenen Bands im Interview gestellt. Die Antworten reichten von „toll“ und „innovativ“ bis hin zu „vollkommen überflüssig“. Tja, da bleibt uns nichts anderes übrig, als im Oktober 2018 auf dem dann 14. Euroblast Festival weitere Feldforschung zu betreiben. Und wer sich nur ansatzweise für Progressiven Metal interessiert, sollte das ebenfalls tun.

Hier geht es zum Bericht vom ersten Tag

Fotostrecken bei Facebook zu allen drei Tagen:
29.09.2017

30.09.2017

01.10.2017

Bericht und Fotos: Michael Buch

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