|

Erik Cohen – Walk of f(l)ame

Seit der letzten Platte, ‚Nostalgie für die Zukunft‘, sind gerade mal knapp zwei Jahre vergangen. Viel Zeit hast du dir nicht gelassen. Woran lag das?

Ich habe mir durchaus Einiges an Zeit für ‚Weisses Rauschen‘ genommen, aber ich habe nach der Veröffentlichung meines Debüts sofort damit begonnen, an den neuen Liedern zu schreiben. Das hängt damit zusammen, dass ich ein leidenschaftlich Getriebener bin. Ich brauche das kreative Arbeiten an neuen Songs, um zufriedener durch die Welt zu spazieren. Dazu wusste ich aber auch, dass man sich als neuer Künstler, der sich nochmals von Null selbst aufbaut, nicht allzu viel Zeit lassen darf. Man gerät ja auch so schon schnell in Vergessenheit und muss sich generell immer wieder neu behaupten, gerade bei dem Überangebot an neuer Musik etablierter Künstler und den immer neuen Bands, die um Aufmerksamkeit buhlen. Es geht mir daher auch ein Stück weit um Nachhaltigkeit. Ich möchte unterstreichen, dass ich das, was ich tue, sehr ernst nehme, Qualität anbieten will und auch hart dafür arbeite, es am Ende hoffentlich so weit zu bringen, dass ich eine dritte Platte machen darf und Konzerte spielen kann.

ErikCohen_05.jpg

Ich habe gelesen, ‚Weisses Rauschen‘ sei eine Platte für Musikliebhaber. Muss man in deinen Augen besonders mutig sein, um die Fangemeinde zu erhören?

Das würde ich durchaus so sagen, dass ‚Weisses Rauschen‘ ein Album für Musikliebhaber ist. Eine Platte für Leute, die Album-fokussierte Musik hören und nicht nur auf der Jagd nach kurzzeitigen Einzelsong-Erlebnissen und Spartenmusik sind. Wenn man aber einen ausgeprägteren Rockmusik-Hintergrund mitbringt und Spaß am Sound-Puzzlen hat, gibt es auf dem Gesamtwerk eine ganze Menge zu entdecken. Mal offensichtlich, mal versteckt. Mit einem Durchlauf ist das definitiv nicht getan, würde ich vorsichtig behaupten. Ganz allgemein hoffe ich, dass das Hören schrittweise mehr Spaß macht, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt und ‚Weisses Rauschen‘ mehrfach intensiver hört. Man kann hierüber ja auch selbst ein Teil des kreativen Prozesses werden. Das fängt bei individuellen textlichen Assoziationen an und endet beim Aufdecken von mehr oder minder dezenten klanglichen Querverweisen oder Zitaten. Auch wenn ich in Bezug auf die einzelnen Lieder wie zuletzt versuchte, meinem ausgeprägten Faible für griffige Melodien nachzugehen, würde ich insgesamt schon sagen, dass die Platte doch wesentlich mehr aufgeht, wenn man sie als geschlossenes Werk betrachtet und sich zu ihrem Kern vorarbeitet. Man kann sie aber sicherlich auch viel oberflächlicher hören. Nur könnte dabei in meinen Augen schon auch Einiges verloren gehen.

Die Schlagworte ‚ Wolf‘ oder ‚Kreuz‘ gab es schon auf dem letzten Album und du behandelst sie jetzt erneut. Woher kommt diese starke Bindung?

Was wären Slayer ohne die Worte ‚Death‘ und ‚Blood‘, AC/DC ohne ‚Rock‘ oder ‚Girls‘? Zu deiner Frage: Grundsätzlich empfinde ich das gar nicht so. Ich habe mich im Rahmen der Aufnahmen zur neuen Platte kaum an bereits vorher benutzten Motiven orientiert. Ich wollte mich so gut wie gar nicht selbst zitieren oder großartig wiederholen. Vielmehr suchte ich nach frischen Ansätzen, um auch für mich einigermaßen spannend zu bleiben. Ich habe mich lediglich bemüht, dort anzusetzen, wo ich mit ‚Nostalgie‘ aufgehört habe. Von da aus wollte ich möglichst unverkrampft ein wenig weiter denken. Die erste Line, die ich im Kopf hatte, war z.B. ‚Die Radiostation aus dem Off / Sendet immer noch‘ und darauf wurde dann ‚Neues Blut‘ aufgebaut.

Der einzige Song auf dem Album, der andeutungsweise noch etwas von den maritimen Textansätzen hat, die noch die ‚Nostalgie für die Zukunft‘ durchzogen. Danach sollte es für ‚Weisses Rauschen‘ in textlich andere, neue Richtungen gehen. Generell etwas mehr assoziative Fläche, leicht kryptisch, aber nicht zu kompliziert. Ich mag es als Hörer nicht, wenn sich eine Art klumpige Kopfsoße über mich ergießt. Daher möchte ich eher angenehm, aber dennoch anspruchsvoll unterhalten. Wenn mir das bei einigen Leuten gelingt, freut mich das extrem.

ErikCohen_04.jpg

Worauf bist du bei der neuen Platte besonders stolz, bzw. was hat dich die meisten Nerven gekostet?‘

Nerven gekostet hat mich zeitweise lediglich, dass ich wirklich nur – aber dafür umso intensiver – die 10 Songskizzen abgearbeitet habe, die dann schlussendlich auch als fertige Lieder auf dem Album gelandet sind. Ich konnte mir also keinesfalls erlauben, dass davon ein Rohentwurf abraucht, sodass ich am Ende unzufrieden damit gewesen wäre. Denn dann hätte ich mir die Platte unterm Strich nicht anhören können. Umso erfreuter war ich, dass ich es – zumindest für mich persönlich – geschafft habe, von einem homogeneren Grundsound ausgehend ein stimmiges klangliches Gesamtbild zu kreieren. Obwohl die stilistische Breite ja weiter gefasst ist als auf dem Debüt, klingt ‚Weisses Rauschen‘ für mich in seiner Gänze betrachtet etwas schlüssiger und angenehmer. Wenn man die Platte zunächst hört, hat man vielleicht den Eindruck, sie sei etwas weniger rockig oder sanfter als die ‚Nostalgie‘. Dem ist allerdings gar nicht so, sie hat eigentlich einen noch rockigeren und auch dunkleren Kern. Aber es fühlt sich zunächst mal überhaupt nicht so an, wenn man sie hört. Das übt auf mich einen gewissen Reiz aus und gefällt mir sehr.

Hat sich das Songwriting im Vergleich zu deiner Debütplatte jetzt anders angefühlt? Was hat sich verändert?

Ja, dem ist natürlich so. Über das Debüt und die anschließenden Konzerte habe ich schließlich zunächst einiges probieren müssen und bin dann mit der Zeit künstlerisch immer selbstbewusster geworden. Ich habe mich nach meinem Dafürhalten kontinuierlich entwickelt und konnte daher mit einem guten Gefühl und einem neuen Selbstverständnis noch weiter raus. Außerdem, Stichwort: Rock, sind die Songs viel klassischer entstanden. Nämlich im Proberaum mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Und es wurden mehr metallische Riffs eingesetzt, die von unserem Guitar-Hero (Späthi Malmsteen) stammen.

ErikCohen_03.jpg

Bist du jemand, dem sehr viel an dem Aufbau einer Platte gelegen ist, den Spannungsbögen?

Das kann man so stehen lassen. Ich bin definitiv jemand, dem sehr viel an einer bestimmten Dynamik gelegen ist. Ich achte auf einen schönen Hörfluss, thematisch und vor allem auch musikalisch.

Wenn du diesmal deinen Texten mehr Raum für Interpretationen einräumst – wie schwer ist es, den Grat zwischen Direktheit und Verkopftheit zu finden?

Das geht mittlerweile ziemlich gut, auch das hat sich über die Arbeiten am Debüt Stück für Stück entwickelt. Ich bemühe mich aber, dass das Hören möglichst angenehm bleibt.

Letzte Frage. Fällt es dir bei der kommenden Tour leichter, die Setlist zusammenzustellen? Oder war es leichter, nur ein Album zu präsentieren, da man nichts aussortieren musste?

Es ist zumindest immer schöner, über ein größeres eigenes Repertoire zu verfügen. Es macht mehr Spaß, wenn man sich Gedanken darüber machen kann, was man spielt und was man weglässt. Zumal es ja auch so ist, dass man nicht alle Stücke gerne live spielt.

Die Fragen stellte Melanie Sauter / tofuschnitzel.

Foto im Logo: Frank Peter
weitere Fotos: Erik Cohen Official Facebook

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar