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Epica, Eluveitie und Scar Symmetry – Die Nuclear-Blast-Wundertüte

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Irgendwie fiel den Veranstaltern etwas spät auf, dass ein früher Beginn bei so viel Programm wohl angebracht wäre. Als um kurz nach sieben die erste Band Scar Symmetry an der Reihe ist, herrscht im Saal noch ziemliche Leere. Das stört die schwedische Combo wenig, sie betreten unprätentiös die Bühne, schauen sich einmal schüchtern links und rechts um und brettern dann fest entschlossen los. Sie liefern soliden Death Metal, der hohe Anteil an Klargesang, die mehrstimmigen Passagen und der starke melodische Anteil gefallen offenbar dem Publikum und vor der Bühne wird es voller und voller. Scar Symmetry machen ihren Job richtig gut und am Ende übergeben sie ihren Nachfolgern eine warmgelaufene und musikhungrige Menge.

Kurze Zeit später begeben sich Eluveitie zu einem laut krachenden Intro ins Rampenlicht und bieten mit ihrer achtköpfigen Besetzung einen monumentalen Anblick. Die Schweizer Folk-Metal-Truppe um Sänger Chrigel Glanzmann hat sich zum Ziel gesetzt, den Zuhörern die Kultur ihrer Heimat näher zu bringen – genauer gesagt den Teil der eigenen Geschichte rund um den keltischen Stamm der Helvetier. Schon seit einigen Jahren sind Eluveitie in wechselnder Besetzung gefühlt ständig an allen Ecken der Welt auf Tour, und auch wenn man sich plumpe Vergleiche mit Käse oder Ricola spart, kann man sie wohl doch irgendwie als Exportschlager bezeichnen.

Die Show beginnt mit ‚King‘ und der Funke springt schnell über. Eluveitie zeigen sich von ihrer besten Seite und gehen mit sichtbarer Spielfreude in das Programm. Es geht quer durch die Bandgeschichte und ältere Stücke wie ‚Slanias Song‘ kommen genauso gut an wie eine härtere Version von ‚Omnos‘ vom aktuellen Opus ‚Origins‘. Die Songs sind teilweise auf Englisch und teilweise in einer rekonstruierten Version des historischen helvetischen Gallisch vorgetragen. Da gallische Muttersprachler inzwischen doch recht rar geworden sind, braucht man etwas Vorbildung um die Texte zu verstehen, sehr beeindruckend ist es aber auch so.
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Zwischendurch gibt es dann nach einer kleinen Umbaupause ein Akustikset zu hören: Ganz ruhig und detailverliebt geht es ohne Bass oder Drums vonstatten, lediglich Fidel, Pfeifen und Gesang bilden ein erstaunliches Klangbild, das den Saal ganz bezaubernd ausfüllt. Hinterher fragt Anna Murphy nach wer denn Schwyzerdütsch kenne (einige), wer es verstehe (wenige) und singt ‚Call of the Mountains‘ in der schwyzerdütschen Version ‚De Ruef vo de Berge‘. Das ist sympathisch und macht Spaß. Überhaupt kommt Anna Murphy in vielen Liedern zum Zuge und kann auch in’„A Rose for Epona‘ überzeugen. Ruhiger wird es mit einer sehr schönen und ebenfalls von ihr gesungenen Version von ‚Scorched Earth‘.

Gegen Ende des Sets deutet Chrigel Glanzmann ins Publikum und fordert zum Circle Pit auf. Viel Überzeugungsarbeit ist da auch nicht mehr nötig, eigentlich haben die Fans die ganze Zeit nur auf einen Anlass gewartet. Zu ‚Neverland‘ und ‚Quoth the Raven‘ geht im Publikum die Post ab. Als letzter Akt wird die spannende Frage „Wird ‚Inis Mona‘ gespielt?“ dann endlich mit einem Ja aufgelöst. Die alte keltische Melodie, arrangiert vom Harfinisten Alan Stivell, der Masse bekannt gemacht von den französischen Rappern Manau und schließlich von Eluveitie in ‚Inis Mona‘ zu einer Metalhymne umgebaut, tut einfach das was sie am allerbesten kann: Sie funktioniert. Viele mit langen Haaren bepackte Köpfe wippen glücklich zu diesem furiosen Abschluss.
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Nach diesem mehr als überzeugenden Auftritt ist es dann Zeit für Epica. Die letzte Show in Berlin ist noch nicht einmal ein Jahr her, vor einem brechend vollen C-Club hatten sie nicht nur Pech mit ihrer gesundheitlich angeschlagenen Frontsängerin Simone Simons, die gesamte Show hatte damals auch etwas zu routiniert und inspirationslos gewirkt.

Es geht los mit ‚The Second Stone‘ vom letzten Werk ‚The Quantum Enigma‘, und diesmal hat die Band offenbar höhere Ambitionen. Von Anfang an macht es einfach Spaß zu sehen wie alle sechs Beteiligten großen Bock darauf haben zu spielen, sie brausen über die Bühne, grinsen ständig breit und tauschen Blicke und Grimassen mit dem Publikum. Bereits in der Anfangsphase wird der Klassiker ‚Sensorium‘ ausgepackt und Epica zeigen was ein treibender Rhythmus, eine gut aufgelegte Sängerin und eine Ohrwurmmelodie für Stimmung erzeugen können. Der bandtypische Kontrast aus Growls und dem Sopran von Simone Simons kommt schön zur Geltung, die Fans nehmen es dankbar an und haben ganz offensichtlich Spaß. Über einen Abstecher zum drittältesten Album ‚Design your Universe‘ mit dem eingängigen ‚Unleashed‘ lassen die Zuschauer das Sextett nicht im Stich und singen im Chor bei Epicas Markenzeichen ‚Cry for the Moon“ dann auch aus voller Kehle mit.

Die Zwischenansagen der Niederländerin Simone Simons sind teilweise auf Deutsch, sie betont oft und gern wie toll sie es findet da zu sein und die Fans jubeln und zeigen wie toll sie es finden, dass ihre Band da ist. Zu dieser entspannten Ist-das-nicht-alles-schön-Grundstimmung tut dann die Lichttechnik auf der Bühne ihr Übriges und taucht die Band in ein spektakuläres Gegenlicht, das in Kombination mit Ventilator und Bühnennebel die roten Haare der Sängerin und die Instrumentalisten klasse in Szene setzt.

Während Eluveitie zuvor noch völlig auf handgemachte Musik setzten und allenfalls sphärische Zwischensequenzen vom Band kamen, ist Epica in der entgegengesetzten Kategorie anzusiedeln. Wie auch bei vielen Kollegen aus dem Symphonic Metal ist der Auftritt von massenhaft voreingespielten Chören und Orchesterspuren begleitet und auch leidet Epica etwas darunter, dass der hohe Sopran und die zum Teil noch höheren Keyboardklänge direkt vor der Bühne wegen der Lautsprecherpositionen kaum zur Geltung kommen. Ein paar Meter weiter hinten macht es dann aber einfach Spaß in dem fetten Klang zu schwelgen.
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Die Band arbeitet sich sauber und energiegeladen durch ihr Programm, dessen regulärer Teil mit ‚The Phantom Agony‘ vom gleichnamigen Album endet.

Es folgen einige Zugaben wie ‚Unchain Utopia‘. Sicher, könnte man an der Stelle mal fragen, ob ein Song wieder dieser nicht mit einer so einfach gestrickten Ohrwurmmelodie ausgestattet ist, dass man ihn genau genommen schon vor dem ersten Hören auswendig konnte. Man könnte auch weiter fragen, warum den Fans weniger als ein Jahr nach dem letzten Konzert in Berlin nochmal fast dieselbe Setlist vorgesetzt wird, obwohl sich im mehr als zehnjährigen Schaffen der Gruppe doch etwas mehr Material finden ließe. Und man könnte anmerken, dass die entrückten Refrains und das überbordende Orchester sich oft hart an der Grenze zum Kitsch bewegen.

Aber das wird alles irrelevant, wenn man sieht mit wieviel Enthusiasmus und Überzeugung all dieser Bombast in den Raum geklotzt wird und was für eine Gänsehaut die Inszenierung erzeugt.

Nach dem Gassenhauer ‚Sancta Terra‘ wird das Konzert schließlich beschlossen mit dem 10-Minuten-Epos ‚Consign to Oblivion‘, das ein letztes Mal von den Fans gefeiert wird und einen würdigen Abschluss für einen gelungenen Abend bildet.

Text von Martin Zabel

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