|

Die Nacht rief uns ins Feuertal


Feuertal1.jpg „Zum zwölften Mal verwandelt sich die Waldbühne Hardt in Wuppertal an diesem Wochenende in einen mittelalterlichen Hexenkessel. Bands, Mittelaltermarkt und Rahmenprogramm wollen für stimmungsvolle Atmosphäre sorgen. Am Vortag hat es noch geregnet. Mal leichter Niesel, mal aber auch etwas stärker. Typisches Festivalwetter. Aber der Wettergott hat dann doch ein Einsehen – oder er ist Mittelalterfan. Pünktlich zum Freitag jedenfalls scheint die Sonne, so dass das diesjährige Feuertal zumindest wettertechnisch schon mal nicht ins Wasser fallen muss. Dafür ist es auch eine viel zu gemütliche Location und wirkt tatsachlich wie ein kleines Tal. An einer Seite der Freilichtbühne Hardt ragt eine schroffe Felswand in die Höhe, auf der anderen Seite schließt ein leicht ansteigender bewaldeter Hügel das Areal ab, so dass man wirklich schnell das Gefühl hat, sich in einem kleinen Tal zu befinden, in dem an diesem Wochenende die Zeit stehen geblieben ist. Nun, nicht ganz, den im Grunde genommen erklingt doch recht moderne Rockmusik im Feuertal, das erst später am Abend bei einsetzender Dämmerung und Zündung der Pyrotechnik des Headliners seinem Namen alle Ehre machen kann.

Elektrische Gitarren vernimmt man, knallende Drums, vibrierende Bässe. Und zwischen einigen aufwendig mittelalterlich kostümierten Besuchern dominieren die Metaller in ihren Bandshirts. Aber auch Gothics, Steampunks in liebevoll zusammengestellten Outfits und jede Menge Rocker geben sich an diesem Freitag und Samstag die Ehre. Sie alle sind zum nunmehr zwölften Feuertal-Festival in die nordrheinwestfälische Stadt der Schwebebahn gekommen, um zwei Tage lang zehn Bands auf der Freilichtbühne zu lauschen oder gepflegt über den zum Festival gehörenden Mittelaltermarkt zu schlendern. Dieser Markt schließt sich direkt unterhalb der Freilichtbühne an das Gelände an und bietet neben den obligatorischen T-Shirt und Lederständen viel Bandmerchandise und natürlich fast alles für das leibliche Wohl. Bier, Met, Softdrinks, Flammkuchen, Würstchen, Hanftaschen – die Auswahl ist übersichtlich, aber ausreichend, die Preise sind moderat. Hin und wieder spielt das Duo „Illices Diaboli“ auf einer kleinen Extrabühne und bleibt dort leider etwas im Hintergrund.

Feuertal2.jpg „Durch die doch relativ geringe Größe der Waldbühne meldet das Festival mit ca. 2500 Besuchern auch dieses Jahr wieder „ausverkauft“ auf seiner Webseite. So kommt in der gut gefüllten Arena schon schnell beste Stimmung auf, als die Fans am Freitag Nachmittag vor die Bühne pilgern. Im nahe gelegenen Freibad bieten die Veranstalter übrigens Campingmöglichkeiten an. Viele Gäste sind schon am Donnerstag angereist und haben damit wohl bereits eine feuchte oder schlammige Regennacht hinter sich. Jetzt scheint ja zum Glück die Sonne, und alle sind gespannt auf den Opening Act. Das sind in diesem Falle punch’n’judy aus Recklinghausen mit Crossover-Folk. Bevor es losgeht, betritt aber der Moderator des Festivals die Bühne, und das ist wie immer niemand anderes als Eric Fish, Frontmann einer der wichtigsten Bands der Szene – Subway to Sally. Er trägt eine kleine Geschichte vor, in die er die Namen aller am Wochenende spielender Bands eingebaut hat – und sogar noch mehr: In Extremo spielen hier doch gar nicht!

Die Niederländer von Rapalje sind deutlich folklastiger als der Opener, auch wenn sie selbst erklären, sie seien so alt, dass der Metal zu ihrer Zeit noch Hardrock gewesen wäre. Vor 20 Jahren hätten sie eine Band namens Manowar getroffen und covern dann auch deren ‚Heart Of Steel‘ in einer sehr launigen Folkrock-Version. Der Stimmungsklassiker ‚Was wollen wir trinken?‘ folgt ebenso wie eine wunderbare mehrstimmige a cappella Version des schottischen Oldies ‚Loch Lomond‘.

Mit dudelnden Säcken verabschieden sich Rapalje. Eric Fish kündigt nun die „wohl authentischste Mittelalterband des ersten Festivaltages“ an: Die Kolkraben fliegen hoch – Corvus Corax entern die Bühne. Und tatsächlich verzichten diese Spielleute auf elektrische Gitarren und bringen dafür die geballte Paukenpower mit. Großes Schlagwerk dominiert die in der Tat sehr mittelalterliche Musik der aus der ehemaligen DDR stammenden Truppe. Im nachmittäglichen Rund brodelt schon jetzt die Stimmung, was insbesondere auch den wilden Paukern zuzuschreiben ist. So darf der Auftritt von Corvus Corax als erstes großes Highlight gezählt werden.

Feuertal3.jpgEric Fish sorgt als nächstes für einen Gänsehautmoment mit dem wunderbaren Subway To Sally Klassiker ‚Erdbeermund‘, dann ist es Zeit für Versengold. Die 2003 in Bremen gegründete Gruppe besticht durch ungebremste Spielfreude und reißt das Publikum ein weiteres Mal zu Begeisterungsstürmen hin. „Wenn Ihr das Mitsingen beim zweiten Refrain besonders gut macht, kriegt Ihr den dritten für Euch alleine!“ Ja, es klappt ziemlich gut, und so darf das Publikum stimmgewaltig (mit)singen.

In der letzten Umbaupause des Freitags gibt es ein wenig Stadion- und Classic Rock als Beschallung, was vielleicht etwas befremdlich für ein Mittelalterfest wirkt, den Wartenden aber durchaus gefällt. Dann darf Eric Fish noch ein Selfie mit dem Publikum machen und die Zuschauer in sein Handy Subway To Sally grüßen lassen.

‚Früher war alles besser!‘ Mit dieser musikalischen Aussage vom vorletzten Album entern pünktlich mit Einbruch der Dämmerung Saltatio Mortis als erster Headliner des Festivals die Bühne, und jetzt brennen sie auch, die Feuer. Hohe Flammenzungen schießen empor und verleihen der ohnehin schon spannenden Naturkulisse nun tatsächlich etwas Mittelalterflair. Alea der Bescheidene fragt nach den Clowns, bevor ‚Wachstum über alles‘ zelebriert wird. In einer Ansprache erklärt er, wie die Band aufgrund des neuen Albums kürzlich vom Direktor des „Zirkus Roncalli“ angesprochen wurde, um mit dem Zirkus gemeinsam ein Zeichen gegen Fremdenhass zu setzen. „Reicht Euch alle die Hände!“ Und das tut das Feuertal – ein beeindruckendes Bild.

Feuertal4.jpg „‚Eulenspiegel‘ und ‚Willkommen in der Weihnachtszeit‘ sind dann eher heitere Songs, bevor die Spielleute ‚Nachts weinen die Soldaten‘ vom neuen Album als Live-Premiere anstimmen. Leider ist die Zahl der Feuerzeuge aufgrund der vielen Rauchverbote wohl stark zurückgegangen. Noch vor ein paar Jahren hätte sich der Talkessel jetzt wohl in ein funkelndes Lichtermeer verwandelt. Schade, so bleibt es bei wenigen eher unromantischen Handydisplays. An diesem Abend stimmt es, wenn Saltatio Mortis feststellen: ‚Uns gehört die Welt!‘ Nach dem Konzert verlagert sich die Party in die Wuppertaler Innenstadt in eine Metalkneipe.

Feuertal6.jpg „Der zweite Festivaltag beginnt pünktlich mit Harpyie und mehr als ansteckendem Gothicmetal-Rock. Schon zur frühen Nachmittagsstunde versetzt die Truppe mit harten Gitarrenriffs und Violinenklängen die Menge in Wallungen. Das wird auch mal Eiffel 65 mit ‚Blue‘ in einer tanzbaren Rocknummer gecovert oder das Publikum zu ‚Sturmvögel‘ zum Hinsetzen veranlasst. Hut ab! Und Hüte braucht man auch für den nächsten Act – vorzugsweise Piratenhüte. Aus der Osnabrücker Karibik stammen Mr. Hurley & Die Pulveraffen, und die drei fröhlichen Piraten (plus spätere Damengesellschaft) laden ein auf eine Karibikkreuzfahrt der ganz besonderen Art. Sie nennen ihre Musik (akustische Gitarre, Akkordeon, Percussion) „Grog’n’Roll“ oder auch „Kaperakustik“, und das trifft es ganz gut. Mr. Hurley sucht Verstärkung für seine Piratenmannschaft und fordern die „Weiber“ auf, ihr „Achterdeck zu schütteln“. „Wir stehen auf einer Bühne und tragen Kostüme, das heißt das ist kein Sexismus, sondern Kunst!“ Das dürften wohl auch alle im Areal so verstanden haben. Und so bleibt dieser Auftritt als der witzigste des Festivals noch lange im Gedächtnis. Davon abgesehen geht die Musik sofort in die Beine und bietet jede Menge Ohrwürmer. Auch die Pulveraffen mögen übrigens die Farbe Blau: „Wir sind blau wie das Meer!“ heißt es zum Schluss.

Feuertal5.jpg „Zuvor sorgt Eric Fish noch für den Running Gag des Festivals, als er seinen Videobeitrag für Subway To Sally von gestern noch zweimal (!) wiederholen muss, da er nicht der technische Herr über sein Smartphone zu sein scheint. Ja, solchen Firlefanz gab es halt im Mittelalter noch nicht.

Mit Das Niveau folgt nun eine völlig andere Art des Entertainments. Eric Fish moderiert das Duo als „Music Comedy“ an, und das trifft es wohl auch am besten. Gitarrist Martin Spieß steigt aus der Band aus und spielt heute seine letzte Show. Der Auftritt ist eine Mischung aus Folk und Stand-Up-Comedy, durchaus witzig und unterhaltsam, aber irgendwie nicht wirklich zum Rest des Festivals passend.

Feuertal7.jpg „Eine riesige Folkparty beginnt, als Fiddler’s Green danach die Bühne entern. Punkiger Folkrock mit irischem Einschlag – dafür sind die Jungs aus Erlangen schon seit langem bekannt. Und auch auf dem Feuertal überzeugen sie wieder auf ganzer Linie und sorgen für wildes Tanzen und Headbangen im Publikum.

Zum Schluss spielen dann Schandmaul auf. Die bayerischen Mittelalter-Folk-Rocker um Frontmann Thomas Lindner haben ihr aktuelles Album Unendlich im Gepäck und sorgen aber auch mit den älteren Songs für Stimmung. „Ich tanz‘ den Feuertanz!“ Dieser Feuertanz findet heute ganz ohne echte Flammen oder Pyroeffekte statt, aber auch das rote Licht wirkt sehr stimmig. Und so dürfte ein jeder Besucher auch den letzten Liedzeilen Schandmauls beipflichten: „Es war sehr schön mit Euch, ich werde mit Freuden an Euch denken…!“

Feuertal8.jpg „Zwölf Jahre Feuertal-Festival. Die Veranstalter haben immer wieder ein sicheres Händchen bei der Bandauswahl, und so dürfen wir uns nach zwei mehr als gelungenen Tagen schon jetzt auf 2016 freuen, wenn es wieder heißt: „Es ist die Nacht, die uns gerufen hat, ins Feuertal, ins Feuertal! Die uns Musik und Tanz versprochen hat, im Feuertal, im Feuertal!“ Dem Gesetz der Serie nach nächstes Jahr auch wieder mit Subway To Sally.

Fotos: Michael Buch

Weitere Festivalfotos findet Ihr auf unserer Facebookseite. Dort gibt es in Kürze auf die Galerien zu jeder einzelnen Band zu betrachten.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar