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Deserted Fear – Von Schnee, Met und dem Technik-Teufel

Manuel, Simon und Fabian sind an dem Wochenende eigens für zwei Konzerte rund zehn Stunden bei Schneegestöber in die Schweiz angereist. An Bord des Bandbusses außer den drei Jungs: Live-Bassist „Seppel“, Merchandise, ein paar Schlitten für den Ausflug in den Schweizer Schnee, authentischer Hunger auf den Auftritt und die ordentliche Portion Gelassenheit einer Metalband, der es einfach nur um den Spaß an der Musik geht. „Gibst du dir so Mühe, oder warum verstehe ich dein Schweizerdeutsch so gut?“, fragt mich Sänger Mahne vor Beginn des Auftritts am Merchandise-Tisch verdutzt. Die familiäre Metbar im verschneiten Lenzburg bei Aarau, seit einigen Jahren von einem Verein geführt, ist noch so gut wie leer. Ich muß grinsen. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich bin Deutscher“, entgegne ich amüsiert. Später, gegen Ende des gelungenen Sets, wird sich der sympathische Sänger völlig outen, vom Adrenalin der Show angeheizt. Daß er kein Wort von dem verstehe, was alle sagen würden, aber daß sich die Band nichtsdestotrotz pudelwohl fühle. Zwei Stunden zuvor noch beim Soundcheck auf der Bühne und kurz darauf mit frisch gefülltem Magen lümmeln Mahne, Simon und Fabian auf der abgewetzten Ledercouch der Metbar und stoßen mit Schweizer „Quöllfrisch“-Bier (O-Ton der Band: „Wirklich lecker!“) und rauchigem Appenzeller Dreifaltigkeits-Single-Malt (O-Ton der Band: „Der ist mir echt zu rauchig“) mit dem Autor dieses Artikels bestens aufgelegt auf einen gelungenen Abend an. Und der folgt absolut, sofern man das vom Technik-Teufel ins MP3-Nirvana beförderte Ton-Dokument des Interviews einmal ausklammert.
1.jpg „Eröffnet wird der Abend von den Lokalmatadoren Clit Commander, am Bandnamen und dem Banner auf der Bühne schon vor dem ersten Ton unschwer als Gore Death Metal Band mit Grindcore-Touch zu identifizieren. Sänger René rumpelt mit seinen Growls derbe im Tonleiter-Keller herum und gibt alles, angeheizt von der kleinen aber enthusiastischen Gruppe anwesender Metalheads. Da fallen zwischen den Songs schon mal persönliche Ansprachen an einzelne Mitglieder des Metbar-Teams und man hat einmal mehr das angenehme Gefühl, bei und mit Metal-Kumpels im Wohnzimmer zu feiern. Die Riffs von Gitarrist Herd knallen ebenso treffsicher in die Fresse, nur Drummer Cornel streichelt seine Felle für eine Brutal Death Band doch ziemlich zärtlich. Dennoch machen die Jungs einen ordentlichen Job als Vorband, vor allem wenn man das sehr überschaubare aber umso enthusiastischere Publikum als Gradmesser nimmt, das ausgelassen tanzt und headbangt. Nach dem traditionellen gemeinsamen Kippen des Methorns setzen die Schweizer den Schlusspunkt. Kurz darauf sind dann auch schon die vier Oldschool-Deather Deserted Fear aus Thüringen auf der Bühne und legen mit ‚Forging Delusions‘ von ihrem neuen, exzellenten und sehr erfolgreichen Album „Kingdom of Worms“ mit Vollgas los. Inzwischen sind in der Metbar noch einige wenige Besucher hinzugekommen. Mahnes Power an Mikrofon und Gitarre tut das keinen Abbruch. Sehr cool, daß die sympathischen Jungs keinen Unterschied zwischen 30 und 3000 Konzertbesuchern machen. Hier wird gerockt und die Haare geschüttelt, als ob es der letzte Auftritt sein könnte. Hier wird astreiner, erdiger Death-Metal abgeliefert – mit einem fetten, zufriedenen Grinsen in den Gesichtern von Simon, Manuel und Fabian. Nur Ersatz-Bassist Seppel muss sich auf seine Bassläufe konzentrieren, aber beim Headbangen lässt auch er sich nicht lumpen.

2.jpgDeserted Fear haben es absolut drauf, knallige Riffs, derbe Drums und die thrashigen Growls von Frontmann Manuel mit einem feinen Gespür für Melodik zu kombinieren. Trotzdem spielen die Mannes aus Ostdeutschland keinen Melodic Death im eigentlichen Sinn wie die Göteborger In Flames, obwohl die Band die Schweden zutiefst verehrt und gewisse Einflüße unverkennbar sind. Vielmehr schafft es das Trio spielend, sich vor klassischen Death Metal Bands wie Bolt Thrower oder Grave zu verbeugen und gleichzeitig absolut frisch und modern zu klingen. So wie beim Kracher ‚The Agony‘ in der Mitte des Sets beispielsweise, dessen fette Riffs und Basedrums von einer simplen, eingängigen Melodielinie getragen und in der Mitte von einem stimmigen Solo ergänzt werden. Mit ‚Field of Death‘, ‚My Empire‘ und ‚Bury Your Dead‘, den drei letzten Songs des 2012er Debüt „My Empire“, als die Jungs noch eine Spur roher und ungeschliffener klangen, endet der rund 70-minütige, energiegeladene Auftritt. Nach dem Konzert lassen sich die vier Jungs ganz fam-nah, verschwitzt aber bestens gelaunt mit dem obligatorischen Metbar-Methorn und einer kleinen Gruppe Fans fotografieren. Ein blondes Mädchen trägt eine Metal-Kutte mit einem Deserted Fear Patch, über dessen Entdeckung sich Fabian früher am Abend wie Bolle gefreut hatte. Was soll man dazu sagen?

4.jpgDeserted Fear sollte man auf jeden Fall im Auge (oder besser im Ohr) behalten. Nicht nur, weil sie eine Erste-Klasse-Live-Band sind, die man in diesem Jahr neben den großen Festivals Party San und Summer Breeze unter anderem auch auf dem renommierten Rock Hard Open Air erleben können wird. Sondern vor allem, weil diese Jungs genau die richtige Mischung aus Talent, Enthusiasmus, Authentizität und Hunger haben. Der momentane, steile Weg der Band nach oben gibt dieser Mischung recht, enthusiastische Reviews in allen bekannten Metal-Magazinen sprechen eine deutliche Sprache. Und genau deshalb haben Deserted Fear noch breitere Beachtung auf jeden Fall auch verdient. Und natürlich vor allem wegen ihrem wunderbar frischen, old-schooligen Kick-Ass-Death-Metal! Wer sie bisher nicht kennt, holt das besser nach. Sonst verpasst er eine der derzeit talentiertesten deutschen Metalbands.

Setliste (CH-Lenzburg, Metbar, 30. Januar 2015):

Forging Delusions
The Battalion of Insanities
Kingdom of Worms
Nocturnal Frags
Wrath on Your Wound
The Agony
Mortal Reign
The Black Incantation
Call Me Your God
Field of Death
My Empire
Bury Your Dead

Mehr Live-Fotos von Deserted Fear gibt’s bei Flo von Metal-Fotos.de.

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