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Deception Ignored

Dass die Band in den Linernotes dieses Rereleases kaum ein gutes Haar an „Deception Ignored“ lässt, zeigt deutlich, warum Deathrow im Endeffekt nie für den Erfolg geschaffen waren. Es handelt es sich dabei schließlich um eine kolossale Fehleinschätzung der eigenen Stärken und Schwächen, ist doch „Deception Ignored“ das eigenständigste, gelungenste und mit Recht auch erfolgreichste Album der Bandhistory – und überhaupt eines der besten Alben des sogenannten „Techno-Thrash“-Genre.

Ja, das Debüt „Riders Of Doom“ mag mit seiner Einfachheit und Naivität die beste Zeit gewesen sein, die die Band je hatte, und der Vorgänger „Raging Steel“ zeigte ja schon ansatzweise in die kontrolliertere Richtung des Drittwerkes. Doch mit „Deception Ignored“ entwickelten sich Deathrow – für fast alle Betrachter einigermaßen überraschend! – von der kultigen, aber auch etwas durchschnittlichen Knüppel-Combo zu einer hochoriginellen, progressiv orientierten Thrash-Band mit Klasse, die locker auf dem Niveau von Coroner, Hades oder Voivod (ohne deren psychedelische Kante, freilich) mitspielte. Die zu Debützeiten gerne einmal eher hilflos drauflospolternde Rhythmusgruppe lieferte plötzlich komplex-verspielte Breakmassaker auf höchstem Niveau, und auch die schon immer originelle Gitarrenarbeit der Band machte dank Neuzugang Uwe Osterlehner nochmals einen enormen Sprung nach vorne. Schon das von ihm alleine geschriebene, achtminütige Instrumental ‚Triocton‘ mit klassisch beeinflusstem Piano-Intro (!) dürfte allen Fans progressiv angehauchter Thrash-Klänge sofort das Blut in Richtung der primären Geschlechtsorgane treiben. Noch länger ist das – ebenfalls von Osterlehner komponierte – neuneinhalbminütige ‚Narcotic‘, das ohne Probleme auch im Jahr 2018 genauso erscheinen könnte. Sänger/Basser Milo zeigt sich gerade hier auch stimmlich deutlich abwechslungsreicher als auf den beiden Vorgängern und versucht sich durchaus überzeugend an hohem Gesang a la Joey Belladonna und sogar waschechten Sirenenvocals a la Watchtower oder Hades.

Im Gegensatz zu den erwähnten Watchtower oder auch Sieges Even übertrieben es Deathrow aber nie mit dem Gefrickel. Mit ‚N.I.Y.H.‘ oder ‚The Deathwish‘ gibt es auf „Deception Ignored“ auch kürzere, eingängige Songs, die vielleicht nicht unbedingt das musikalische Potenzial der progressiveren Songs haben, aber für Abwechslung innerhalb des Albums sorgen und auch den eher konventionellen Thrash-Fan ansprechen dürften. Auch das Artwork gehört zu den coolsten, die das Genre damals so zu bieten hatte: ganz ohne klischeehaften „Evil“-Faktor wirkt das Artwork als perfekte Abrundung und Repräsentation des musikalischen und textlichen Inhaltes – „thinking man’s Metal“ indeed.

Obwohl „Deception Ignored“ damals kommerziell durchaus erfolgreich war, löste die Band sich danach effektiv auf, nur um 1992 mit dem schwachen, vom damals trendigen Groove-Metal beeinflussten „Life Beyond“ ein zurecht erfolgloses Comeback zu versuchen. Was bleibt, sind drei coole Scheiben, die zwar allesamt reichlich unterschiedlich klingen, aber eben auch alle ihren besonderen Reiz haben.

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