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Dear Youth

Es ist schon schwer im Metalcore neben Über-Bands wie Parkway Drive oder Architects zu bestehen, ohne wie ein nicht ganz so guter Abklatsch zu wirken. The Ghost Inside aus Los Angeles haben sich in den letzten Jahren einen gebührenden Platz an der Seite dieser Metalcore-Könige erarbeitet – wenn auch nicht ganz auf Augenhöhe mit den genannten Bands. Nun versuchen sich The Ghost Inside an einem Konzept-Album. Die Kalifornier denken zurück. Zurück an ihre Jugend. Beim bloßen Denken ist es jedoch nicht geblieben. Der Titeltrack zum Album ist ein Brief von Sänger Jonathan Vigil an sein jüngeres Ich. Eine gute Idee in zweierlei Hinsicht: Zum einen hat jeder wohl schon einmal zurück gedacht und sich gefragt, was man hätte besser oder anders machen können. Zum anderen ist gerade dadurch diese Vorstellung nicht zu abstrakt. Somit dürften The Ghost Inside vielen aus der Seele sprechen.

Auch wenn die Seele befriedigt erscheint, müssen die Songs vor allem eins: das Musiker- (in diesem Fall Metalcorer-)Herz berühren. Beim Hören fällt auf, dass die Band das durch noch mehr Gitarren-Fideleien versucht. Die Songs wirken insgesamt emotionaler, was durch einzelne Gesangsparts zwischen der ganzen Shouterei unterstützt wird. Vielen Songs tut es gut, dass The Ghost Inside viel Wert auf Atmosphäre und Melodie legen. ‚Blank Pages‘, der letzte Song des Albums, lebt von Melodie und dem Feingefühl für die richtigen Effekte an passender Stelle. Bei anderen Songs ist das leider nicht ganz gelungen. ‚Phoenix Flame‘, wenn man so will, die Ballade des Albums, quillt quasi über vor Emotionalität. Zu viel des Guten. Hier wäre weniger wohl mehr gewesen. Andere Songs wirken ein wenig überhastet. Oft könnten sich The Ghost Inside mehr Zeit für einzelne Parts nehmen. An Härte und fiesen Sounds haben die Kalifornier nämlich trotz aller Emotionalität nicht gespart. Songs wie ‚Out Of Control‘, ‚With The Wolves‘ oder ‚My Endnote‘ zeigen, dass sich The Ghost Inside mit Härte auskennen. Es sind keine bloßen, aneinandergeschraubten, fiesen Parts mit dem ach so beliebten Breakdown als Höhepunkt. Es sind durchdachte Songs. Breakdowns sind vorhanden, aber sie sind rar und originell eingebettet. In dieser Disziplin sind sie nahe dran am Niveau von Parkway Drive, die sich gleicher Mittel bedienen.

Es gibt jedoch auch das Neue! Diesen einen Moment auf einem Album, der dir sagt: ‚Das ist was Besonderes!‘ Der besondere Moment auf ‚Dear Youth‘ ist ein Gastauftritt. Nichts Neues? Stimmt, aber die Art und Weise, wie Jason Butler (Letlive) seine Stimme in ‚Wide Eyed‘ einsetzt ist bemerkenswert. Wie eine Rockröhre der 80er Jahre (vielleicht Bon Jovi) kreischt er seinen Part in den ansonsten recht harten und düsteren Song.

Beim mehrmaligen Hören fällt auf, dass sich eine Textzeile wie ein roter Faden durch das Album zieht. ‚Breathe in and breathe out‘ ist immer wieder zu hören. Einmal tief ein- und wieder ausatmen – dafür lassen The Ghost Inside auf ihrem Album nicht viel Zeit. Das ist gleichzeitig gut und schlecht. Die Band lebte schon immer von ihrer Dynamik. Dagegen ist ‚Dear Youth‘ vom Tempo fast lahm, jedoch nicht weniger effektvoll. Manche Songs neigen zur Übertreibung. Es wirkt, als wollten die Kalifornier an mancher Stelle schlichtweg zu viel. Das bewirkt beim Hörer jedoch das Gegenteil des Gewollten. Er verliert das Interesse, das Gefühl, das The Ghost Inside größtenteils vermitteln. Ansonsten ist ‚Dear Youth‘ ein klares Zeichen, dass mehr als zwei Bands auf den Metalcore-Thron gehören.

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