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Citadel

Ne Obliviscaris („Niemals Vergessen“) aus Melbourne in Australien erschienen mit ihrem Debütalbum „Portal of I“ vor zwei Jahren auf der internationalen Musikbühne. Mit einem bombastischen Knall. Denn die Band fällt nicht nur was das Line-Up, sondern auch was die vielfältigen musikalischen Einflüsse ihres Progressive Extreme Metal betrifft aus dem Rahmen der üblichen, „konventionellen“ Metal-Band. Ne Obliviscaris sind ein Sextett, zu dem ein Violinist als festes Bandmitglied gehört. Geiger Tim Charles steuert neben mal klassisch-neogothischen, mal obskur-schrillen und häufig langen Streicherpassagen auch den klaren Gesang als Gegenpart zu den Screams und Growls des „eigentlichen Sängers“ Xenoyr bei. Im Kern können die Australier ihre musikalische Herkunft aus dem Black Metal nicht verleugnen – wollen sie wohl auch nicht. Sehr vieles bei den metal-lastigen Parts erinnert daran: Über weite Strecken das Drumming, teilweise der Gesang, der zwischen Growls und eher Black-Metal-typischen Screams pendelt. Das Label Season of Mist vermarktet Ne Obliviscaris als „Melodic Black Metal“. Einen beinahe gleichstarken Anteil am Gesamterlebnis Ne Obliviscaris haben jedoch klassische oder neoklassische Elemente, hinzu kommen Melodic-, Death- und Thrash-Metal, aber auch Avantgarde und sogar Jazz.

Den Auftakt zum neuesten, progressiven Black-Metal-Klassik-Reigen bildet das 23-minütige ‚Painters Of The Tempest‘ in drei Akten. ‚Wyrmholes‘ setzt mit Violinen und Pianoklängen einen verstörend-gruseligen Beginn, der in ‚Tryptych Lux‘ mit Growls und fetzenden Stakkato-Drums gesteigert wird. Nach dem reduzieren des Tempos darf der Hörer mit klarem Gesang und stimmungsvollen Gitarren durchatmen – aber zunächst nur kurz. Das 16-Minuten-Stück zelebriert den Wechsel zwischen hart und ruhig geradezu. Und weiß damit durchaus zu gefallen, die Stimmung ist unbeschreiblich. Mit ‚Reveries‘ und einer Mischung aus Flamenco- und Klassikklängen endet der schaurig-aufregende Dreiakter. ‚Phyrric‘ ist deutlich von Death-Metal geprägt, doch die Violine und klarer, opernhafter Gesang wechselt nicht mit Härte und Growls, sondern geht Hand in Hand miteinander. Mit dem Zweiakter ‚Devour Me, Colossus‘ einem brachialen und gleichzeitig melodiösen und sanften Kracher läutet bereits das Ende dieses spannenden Albums ein. Growls und Klargesang umschlingen sich, während die Drums knüppeln, die Gitarren schrille Riffs spielen und ein einsames Cello im Hintergrund bedrohlich brummt. Was für ein Song! Der zweite Teil von ‚Colossus‘ ist eher ein schaurig-schöner Piano-und Violinenabschluss, der den Kreis zu ‚Wyrmholes‘ vom Beginn schließt.

Ne Obliviscaris beschreiten den begonnenen Weg konsequent weiter und haben dabei ein sehr stimmungsvolles Progressive-Metal-Album geschaffen, das deutlich aus dem Rahmen dessen fällt, was man darunter üblicherweise versteht. So gesehen hat das griffige Etikett des Labels durchaus seine Berechtigung um die Musik zu beschreiben. Die Musik spricht mit ihrer gruseligen Atmosphäre, die durch die Streicher und den Klargesang nur potenziert wird, mit Sicherheit die „Schwarze Szene“ an. Faszinierend ist der progressive Ansatz Black Metal zu spielen auf jeden Fall, zumal die Brillanz der Musiker bei Komposition und Umsetzung außer Zweifel steht. Dennoch steht zu befürchten, daß ‚Citadel‘ selbst in der offenen Progressive-Metal-Ecke nur eine Nische belegt, die nicht jedermann ansprechen wird. Und das ist bewunderswert und schade gleichermaßen.

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