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Carry Fire

Zwar nehmen ihm diese Entscheidung Led Zeppelin-Fans in ganzer Welt höchst krumm, aber Robert Plant hat in der Tat überhaupt keinen Grund, an einer Reunion seiner alten Band interessiert zu sein. Denn nach wie vor schafft es der Brite auch ohne Page und Jones und vor allem ganz ohne die Nostalgiekeule interessante, eigenständige und hochklassige Musik zu fabrizieren.

So ist auch „Carry Fire“ ein höchst eigenwilliges, typisches Plant-Album geworden, welches zwischen Folk, World Music, Blues, Country und einem Spritzer Rock angesiedelt ist und nicht nur behauptet, zeitlos zu sein, sondern sich tatsächlich in einer völlig undefinierbaren und trendfreien Zeitblase breitmacht. Akustische Instrumente treffen auf elektronische Loops, seltsame Geräusche auf bluesige E-Gitarren, und über allem steht die nach wie vor charismatische Stimme. Die erklimmt zwar zu keiner Zeit die Stadion-Shouter-Höhen von ‚Black Dog‘ oder ‚Whole Lotta Love‘, klingt aber mit ihrer höchst intimen Vortragsweise nach wie vor faszinierend – und natürlich ohne Zögern sofort wiedererkennbar. Das passt perfekt zum fast durchweg ruhigen Vortrag der gesamten Band – wer nach Zep-Bratriffs sucht, ist mit dem letzten Album von Black Country Communion besser bedient. Auch die Songs, die Plant mit einer Ausnahme komplett mit seinen Musikern komponiert hat, klingen keineswegs nach altem Classic-Rock-Heldentum, sondern kommen alle trotz bisweilen recht unkonventioneller Instrumentierung mit ganz großen Melodien, die sich ohne Eingewöhnungszeit im Hirn festfräsen. Ob mit jeder Menge Fünfziger-Jahre-Samt ausgestatteten ‚New World‘ oder ‚Dance With You Tonight‘, das mit osteuropäischem Flair versehene Titelstück oder das aus einem schrägen, von David Lynch inspirierten Nachtclub entflohene ‚Heaven Sent‘, Plant beweist hier eindeutig, daß er nach wie vor einfach eine zutiefst idiosynkratische Herangehensweise an Musik hat, die immer noch nichts von ihrem Reiz verloren hat. Daß das Album auch exzellent produziert ist – stimmungsvoll, nicht audiophil – steht bei Robert Plant ebenfalls außer Frage.

„Carry Fire“ ist freilich, wie erwähnt, kein Album für den Led Zeppelin-Revivalisten. Aber, seien wir ehrlich: ein solches hat Robert Plant ja noch nie abgeliefert. Stattdessen hat Plant erneut ein sämtliche Klischees umschiffendes, atmosphärisches Gesamtkunstwerk abgeliefert. „Play loud with the lights down“, empfahl einst eine Band aus Aylesbury. Gilt für „Carry Fire“ in ganz besonderem Maße.

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