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Armageddon

Nach einigen erneuten Line Up-Wechseln kommt im stringenten Zwei-Jahres-Rhythmus nun Equilibriums neues Werk „Armageddon“. Bereits im Vorfeld ließ das einzig verbleibende Gründungsmitglied René Berthiaume verlauten, dass man von den fröhlichen Suffliedern Abstand nehmen wolle.

„Das Album wird „Armageddon“ heißen. Der Name ist Programm, sowohl musikalisch als auch textlich. Wir wollen damit den Untergang der Menschheit, sowohl physisch als auch geistig beschreiben. Insgesamt ist das Album um einiges düsterer als unsere früheren Arbeiten geworden, wobei die Musik von Equilibrium immer auch einen Hoffnungsschimmer beinhaltet.“

Kann man so stehen lassen, denn „Armageddon“ besitzt kein „Met“, kein „Wurzelbert“ oder „Wirtshaus Gaudi“, dafür beginnt der Opener „Sehnsucht“ mit leicht erhobenem Zeigefinger, atmosphärischem Sprecher und Albert Einstein-Zitat. Etwas ungewohnt, aber doch irgendwie passend zu typischen Equilibrium-Klängen, die trotz der Änderungen gewohnt vertraut eigenwillig klingen und wieder untypische Klänge integrieren.

Dennoch braucht das Album, bis es zündet, „Erwachen“ besitzt alle Trademarks der letzten Alben und erinnert im Mittelteil sogar durch die Melodieführung an die ersten beiden Frühwerke der Band. „Kartharsis“ beginnt mit seinen entrückten Gitarren fast norwegisch blackmetallisch, danach folgen vertraute Strukturen mit schönen Tasten- und Flötenmelodien, „Heimat“ versprüht durch seien fröhlichen Beginn einen optimistischen Charme, während „Born To Be Epic“ (grandioser Titel) die internationalen Ansprüche der Band durch englische Vocals unterstreicht, mit seinen 80er Videospiel 8-Bit-Sounds dann aber wieder die geliebte Eigenwilligkeit der Band wie schon in „Die Affeninsel“ mit manch großen Überraschungen plättet.

Die eigentlichen Pagan-Wurzeln der Band zeigen sich in „Zum Horizont“ mit rasender Melodielinie und frühem Finntrollschem Wahnsinn. „Rise Again“ setzt dann wieder auf die bekannten Flötenparts, die zu Beginn sehr ethno klingen, dann aber doch in die traditionelle Richtung wechseln und den Song tragen. Ein überraschend modernes Eröffnungsriff und viel Groove gibt es mit „Prey“, das dann aber die Kehrtwende in eine recht bandtypische Wendung nimmt, aber im Vergleich mehr gitarrengetragen ist als die restlichen Songs. Die jetzt schon viel diskutierten Sprechpassagen eröffnen auch „Helden“, das zeigt, wie sehr Robse’s Gesang zu den aktuellen Kompositionen passt, der rhythmischer und dunkler growlt als Vorgänger Helge, der seine Stärken im wilden Gekeife hatte. Auch hier gibt es als Gimmick Videospielsounds, die schräg aber passend sind.

„Koyaaniskatsi“ basiert auf „Koyaanisqatsi“, einem Experimentalfilm und der erste Teil der Qatsi-Trilogie von Godfrey Reggio, der sich mit dem Eingriff des Menschen in die Natur und generell zivilisationskritisch mit der menschlichen Lebensweise beschäftigt. Das Instrumental beginnt sehr untypisch und wirkt eher wie der Soundtrack aus einem Planetarium, passend dazu gibt es den Sprecher, der sich kritisch mit der Menschheit auseinander setzt. Schwere Kost, die zum nachdenken anregt, aber durchaus schmackhaft serviert.

„Den wahren Wert eines Lebewesens,
ganz gleich wie intelligent, groß oder artenverwandt,
erkennst du im Moment des tiefen Blickkontaktes“

Viele würden wohl kein Fleisch mehr essen, würden sie dem Spender vorher in die Augen blicken…

Ähnlich dramatisch beschließt „Eternal Destination“ das Album, da hier die Dramatik und Verzweiflung des Albumtitels in den Melodien vertieft wird, dennoch aber wie durch das ganze Album ziehend sich immer wieder Hoffnung verbereitende Passagen zeigen, die das Gefühl vermitteln, dass nicht alles verloren ist.

Equilibrium liefern ein schweres, nicht leicht zu konsumierendes und verdauendes Album ab, dem vielleicht der eine Gute-Laune-Song fehlt, der aber widerum auch das komplette Konzept des Albums zerstört hätte. So bleibt ein anspruchsvolles Werk, mit dem man sich beschäftigen muss, das sehr reif und weise wirkt, dem aber auch einiges an Leichtigkeit abgeht. Dennoch: Großes, episches Kino!

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