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All Through The Night

Schlechte Nachrichten für all die, denen schon auf dem letzten Imperial State Electric-Album „Honk Machine“ die Punk- und Garagenrock-Elemente zu kurz gekommen waren: „All Through The Night“ setzt die Linie der letzten Scheiben der Band gnadenlos weiter fort. Das mag für manchen Hörer bedauerlich sein, bringt aber in der Tat eine ganze Menge frischen Wind und eine ganze Menge Abwechslung ins Spiel.

Bei den klassischen Early-Beatles-meet-Brill Building-Popsongs bleiben sich Imperial State Electric stilistisch absolut treu, doch die „härteren“ Stücke klingen diesmal weniger nach MC5 und The Seeds, sondern eher nach den ersten beiden Kiss-Scheiben. Übrigens inklusive absolut authentischer Ace Frehley-Tribute-Gitarrensoli – nun ja, wenn man sich erinnert, hat Nicke Andersson seinerzeit auch mal einen Song ‚Paul Stanley‚ betitelt, das passt also schon ins Gesamtkonzept. Wer beim Opener ‚Empire Of Fire‘ oder dem Kracher ‚Bad Timing‘ (inklusive Peter Criss-Gedächtnis-Drumbreak) beispielsweise nicht automatisch in Stanley-typisches Arschwackeln-mit-Schmollmund verfällt, dem ist auch medizinisch nicht mehr zu helfen.

Aber natürlich sind Imperial State Electric keine reine Kiss-Coverband geworden. Denn zu den prägenden Einflüssen von „All Through The Night“ gehören ganz eindeutig auch die Byrds. In deren folkrockigen Wassern schippern die Jungs nämlich mit ‚Read Me Wrong‘ und dem Gram Parsons-lastigen ‚Break It Down‘ im Duett mit Linn Segolson. Wobei letzteres aber instrumental genauso stark an Creedence Clearwater Revival und speziell ‚Lodi‘ angelehnt ist und kurz sogar dessen Gitarrenlinie zitiert. Der Slade-mäßige Abgeh-Reißer „Get Off The Boo-Hoo-Train“ fungiert als knackiger Ausbruch aus dem Midtempo-lastigen Rest und dürfte auch die Freunde der früheren Alben begeistern. Das treibende ‚Over And Over Again‘ hingegen beschwört den Geist von Phil Lynott, ‚All Through The Night‘ klingt wie eine Jam von Buddy Holly und Roy Orbison, produziert von Phil Spector. Und zum Abschluß gibt’s mit ‚No Sleeping‘ ne klassische John Lennon-Halbballade, ca. „White Album“-Ära.

Ja, natürlich kann man wie immer bei Imperial State Electric meckern, daß hier grundsätzlich viel bei den Vorbildern abgekupfert wird – aber a. ist das eben mal im Retro-Rock Genre so und b. schafft es die Band dennoch, dank starker Songs, die auch besagten Vorbildern gut zu Gesicht stehen würden, den charismatischen Vocals und hörbarem Spaß an der Sache durchaus auf eigenen Füßen zu stehen. Besser als Imperial State Electric macht das nämlich bislang keiner der unzähligen selbsternannten Gralshüter alter Rock’n’Roll-Tugenden. Ein starkes Album mit hohem Unterhaltungswert.

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